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Monday, 24. July 2006

oper

Oper als Erotikthriller


Wien: "Don Giovanni" unter Bertrand de Billy

So wie man "Don Giovanni" meist zu sehen und zu hören bekommt, hat Mozart die Oper nie komponiert. Denn Mozart hat zwei Fassungen geschaffen: Eine Prager und eine Wiener Version. Meistens wird eine Mischform der beiden aufgeführt. Für das Wiener Klangbogen-Festival hat Keith Warner die Wiener Fassung inszeniert, die Aufführung endet effektvoll mit Don Giovannis Höllenfahrt. Warners spannendes Regiekonzept lässt das Grübeln über Fassungen allerdings schnell vergessen. Denn der Brite hat hervorgeholt, was in anderen Inszenierungen unter staubigen Perücken und weiten Reifröcken versteckt wird: Sex, Gewalt, Tod.

Indem Warner die Handlung in einem modernen Hotel spielen lässt, trifft er zwei Fliegen auf einen Schlag: Ausstatterin Es Devlin konnte ihm ein funktionelles Bühnenbild für schnelle Auftritte zur Verfügung stellen, ein Raum, der Abläufe verdichtet. Zudem dient ihm das Hotel als Metapher für menschliche Leidenschaft, ein Ort voll Geheimnis, Verführung, Geilheit und Trostlosigkeit.

Mit kleinen Gesten gibt Warner den Handlungen der Bühnenfiguren neue Erklärungsmodelle, ohne dem Stück Gewalt anzutun.

Donna Anna wirft Don Giovanni den Degen zu, mit dem ihr Vater getötet wird. Was sie und Giovanni davor getan haben, bleibt kein Rätsel. Dieses Geheimnis lüften die Beinkleider, die sich die beiden erst hochziehen müssen, nachdem sie aus dem Lift gepurzelt sind.

Die Hotel-Thematik ist konsequent durchgeführt, mit enormem Tempo, buffoneskem Humor und genauem Blick auf Text und Musik, versetzt mit einem Schuss Erotik und filmhafter Krimi-Spannung.

Leporello ist der Concierge, Zerlina und Masetto einfache Hotelbedienstete. Elvira tritt als Hotelgast auf, eine zutiefst verletzte Frau, die doch von Giovanni nicht lassen kann. Vor seinen Verfolgern flüchtet Giovanni durch Hotelkorridore, im Keller des Etablissements "Hotel Universale" erscheint der Komtur als untote Totenmaske in einer Plexiglas-Box.

Dass der Ball eine Swinger-Party ist, die Giovanni mit Drogen am Laufen hält, ist nur konsequent. Die Schlussszene zeigt die Folgen dieses Lotterlebens.

Brillant musiziert Dem hohen Tempo der Inszenierung stehen Bertrand de Billy und das Radio Symphonieorchester Wien um nichts nach. De Billy hat mit dem Orchester bereits vor vier Jahren die Prager Fassung eingespielt. Wie auf dieser Aufnahme musiziert das RSO sehr pointiert, flott und trotzdem detailgenau, Billy sorgt für scharfe Kontraste, abgerissene Accelerandi und trockene Paukenschläge.

Ohne darstellerisch packende Sänger wäre Warners Regiekonzept nicht aufgegangen. Sängerisch überzeugen alle auf höchstem Niveau. Gerald Finley und Hanno Müller-Brachmann sind als Don Giovanni und Leporello ein auch stimmlich ausgereiftes Paar mit starker Bühnenpräsenz.

Myrtò Papatanasiu gibt als Donna Anna das verwirrend schöne Biest, Mathias Zachariassen ist als Don Ottavio wenn schon kein zweiter Wunderlich so doch ein frommes Lamm im Pastorenkostüm, Attila Jun ein einschüchternd orgelnder Commendatore. Heidi Brunners Elvira pendelt zwischen Klamauk und Ernst, Markus Butters gehörnter Masetto schmilzt in Zerlinas Zimmermädchen-Händen dahin. Adriane Queiroz switcht als Zerlina kokett von Maso zu Sado, von der Bitte um Schläge ("Batti, Batti") zum Duett der Wiener Fassung, in dem sie Leporello fesselt und quält.

Bravos für die Sänger, Jubel für das Regieteam und Bertrand de Billy. -> <a href=www.wienerzeitung.at target=_new>wz


 
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Wednesday, 8. March 2006

unterhaltungsmusique

England liegt im arktischen Affen-Fieber


Sind die Arctic Monkeys die neuen Beatles?

Pop-Hype um „Arctic Monkeys“

GB/Sheffield Auf diese Band scheinen alle gewartet zu haben. Ob Boulevardzeitung, Indie-Fanzine oder Feuilleton: Ganz Großbritannien schwärmt von den Arctic Monkeys. Frech und frisch, authentisch und ohne Posen. Die vier arktischen Primaten aus Sheffield lassen die etablierten Britpop-Granden alt aussehen, behaupten sich durch Glaubwürdigkeit und musikalische Stilsicherheit. Nun sind die Monkeys auch mit ihrer zweiten Single („When the Sun Goes Down“) in den englischen Charts von Null auf Eins geklettert.

Alles nur ein Hype? Oder sind das gar die „neuen Beatles“? Abwarten. Vergangen Montag haben die Arctic Monkeys ihr erstes Album veröffentlicht. Es bricht alle Verkaufs-Rekorde. Am ersten Tag wechselten mehr als 100.000 Platten für harte Pfund den Besitzer. Die Londoner „Times“ rief daraufhin entgegen dem chinesischen Kalender das Jahr des Affen aus. Und das Jugend-Rockmagazin NME jubiliert über „guten alten ehrlichen Rock ’n’ Roll“.

Wie aus dem Nichts begann vergangenen Oktober der bisher ungebremste Aufstieg der Band: Die erste Single „I Bet You Look Good on the Dancefloor“ schoss sofort an die Spitze der Charts. Was für die Beatles Liverpools „Cavern Club“ war, nämlich ein Ort für den Aufbau einer Fangemeinde, war für die Arctic Monkeys das Internet. Sie sind die erste „Blog-Band“, über private Weblogs weiterempfohlen, Download-Superstars ganz ohne Marketing-Maschinerie, „pickeligen Poeten aus dem Webspace“ (Times). Während die Fans schon bei Konzerten jede Zeile mitsangen, hatte die Musikindustrie noch keinen Schimmer von der arktischen Revolution. Nun hat die Band den sicheren Hafen von Domino Records angelaufen, wo auch „Franz Ferdinand“ vor Anker liegt.

„Die Britishness der Kinks, den melodischen Intellekt der Beatles, das Höhnische der Sex Pistols, den Witz der Smiths, den Groove der Stone Roses, die Hymnenseligkeit von Oasis und das Gerassel der Libertines“ – mit solchen Vergleichen legen die Rock-Experten des britischen New Musical Express die Latte extrem hoch. Die Arctic Monkeys als Retter der Welt, die Robin Hoods des Pop? Bandleader Alex Turner, vom NME zur coolsten Person des Jahres gewählt, sieht auch Gefahren. Die Band starte ja eigentlich erst so richtig, betont er gegenüber der BBC: „Wenn die Erwartungen zu groß werden, kann das nur mit einer Enttäuschung enden. Aber die Leute werden mitgerissen, nicht? Na schön!“

Die Arctic Monkeys versagen sich schon mit dem Titel des Albums jeglichen Vereinnahmungsversuchen: „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“ – was immer die Leute sagen, wer ich sei, das bin ich nicht (übrigens ein Zitat aus einer Verfilmung des Working-Class-Romans „Saturday Night and Sunday Morning“). Über sich selbst sprechen die vier Sheffielder nicht gerne, wenig bis nichts ist über ihr Privatleben bekannt.

Drei der vier sind noch 19, alle leben noch bei ihren Eltern. Ihre Songs strotzen vor Lokalkolorit: Verweise auf den Proberaum in Sheffields Rotlichtviertel, die Prügelei um ein Taxi nach der Disco, die wählerischen Türsteher am Samstagabend. Der zynische Blick auf eine englische Stadt in einer Zeit, in der sich Tony Blair dem Kampf gegen jugendliche Volltrunkene und gegen „anti-soziales Verhalten“ verschrieben hat. Sänger und Texter Alex Turner zeigt sich hier in britischer Songwriter-Tradition als Meister der Beobachtung. Sheffield ist nicht das erste Mal fruchtbarer Humus für Pop-Erfolge. Die gesichtslose „City of Steel“ ist Heimat von Acts wie Pulp, Def Leppard, Joe Cocker, Moloko oder Human League.

Von ausgetretenen Pop-Pfaden halten sich die Arctic Monkeys fern. Einen Auftritt in der prestigeträchtigen Sendung „Top of the Pops“ haben sie ausgeschlagen. Die Band möchte nicht aus „den falschen Gründen“ gemocht werden. So ehrlich naiv haben die Beatles vielleicht auch gedacht – am Beginn ihrer Karriere.


 
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Monday, 8. August 2005

ernste musik

Die kleine Schwester der „Entführung“


Donaufestwochen im Strudengau: Mozarts „Zaide“

Die Donaufestwochen im Strudengau nahmen sich mit ihrer heurigen Opernproduktion Mozarts unvollendeter Oper „Zaide“ an. Eine musikalisch gelungene Produktion auf Schloss Greinburg.

Mit der Peitsche wurden die Orchestermusiker vor Beginn der „Zaide“ vom Aufseher des Sultans zu ihren Pulten getrieben. Eine solche Behandlung hat sich das „L’Orfeo Barockorchester” beileibe nicht verdient. Mit Verve und historisch versierter Musizierlust fegten die Musiker unter dem ebenso schwungvoll wie klangsinnlichen Dirigat von Michi Gaigg durch die 15 Nummern von Mozarts „Zaide“. Als Visitenkarte für den Wiener Hof gedacht, stellte Mozart das 1778 begonnene Werk nie fertig, Ouvertüre und Finale fehlen. Denn bald sollte sich Mozart einem ebenfalls türkischen Sujet widmen, einem viel theaterwirksameren Libretto: „Die Entführung aus dem Serail“. Musikalisch lohnt die Wiederbelebung der „Zaide“ allemal, Mozart schrieb berührende Arien und effektvolle Ensembles. Und, einzigartig in Mozarts Schaffen, zwei wirkungsvolle Melodramen, von Musik begleitete Sprechtexte.

Regisseurin Andrea Haupt stützt sich auf eine Text-Version aus dem 19. Jahrhundert, die der Mozart-Verleger Johann André mit einem Schlusschor musikalisch abgerundet hat. Haupt setzt die Handlung mit einfachen Mitteln in Szene, kann jedoch dem simpel gestrickten Plot wenig Brisanz abringen. Hinter dem Tempo und der Präzision, die das Orchester vorgibt, bleiben Regie und Darstellung etwas zurück. Dieter Kschwendt-Michel vermag in der kleinen Rolle des Aufsehers Osmin mit überzeugender Bühnenpräsenz hervorzustechen. Stimmlich hingegen ist das junge Ensemble von großer Kompaktheit. Unterstützt durch den Hall des Rittersaales (das Wetter spielte bei der Premiere nicht mit, man übersiedelte aus dem Innenhof von Schloss Greinburg) zauberte Barbara Kraus als Zaide weiche Kantilenen. Daniel Johannsen setzte als übertrieben tollpatschiger Sultan Soliman komische Akzente, Maximilian Kiener zeigte als blasser Jüngling Gomas eine schön geführte Tenorstimme und Matthias Helm stritt souverän als tapferer Allazim.


 
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