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Festwochen: "Berenice" von Johannes Maria Staud


Dramaturgisches Ungleichgewicht

Mit dem Konzept eines dramaturgischen Zwitters zwischen Oper und Schauspiel nahmen sich Johannes Maria Staud und Durs Grünbein eine Erzählung Edgar Allan Poes vor. In Summe betrachtet mit mäßigem Erfolg.

Vorschusslorbeeren nahm Johannes Maria Stauds "Berenice" nach seiner Uraufführung in München ins Wiener Ronacher mit. Und schaffte es sogar in die Szene-Tipps von Info-Illustrierten. Höchst erfreulich, dass einem jungen, hochbegabten Komponisten so große Aufmerksamkeit zuteil wird. Für einen Besucheransturm zur österreichischen Erstaufführung der "Berenice" im Rahmen der Wiener Festwochen hat das trotzdem nicht gesorgt.

Die Oper nach Edgar Allan Poe war der Genre-Erstling sowohl für den Komponisten Staud als für den Librettisten Durs Grünbein. Das deutsche Feuilleton hat nach der Uraufführung Zweifel an der dramatischen Konzeption gehegt, Grünbeins Wort- und Versreiche Erweiterung der Vorlage kritisiert. Die Zweifel wurden bestätigt.

Mit einem "Es" von allen Orchesterinstrumenten beginnt das Werk mit "ungewohnter Wildheit", dicht und drängend. Die Note "Es" steht für Egaeus, den Ich-Erzähler der "Arabeske" Poes. Egaeus erzählt von seiner Liebe zu Berenice, seiner Cousine. Ihr Allgemeinzustand wird immer schlechter (wie die Musik, möchte man hinzufügen). Der verwirrte Egaeus meint ihre Zähne als "Ideen" zu erkennen. Berenice stirbt, Egaeus reißt der bereits begrabenen Braut die Zähne aus.

Grünbein und Staud haben die Rolle des Egaeus einem Sänger (etwas hölzern: Otto Katzameier) und einem Schauspieler (hypernervös: Matthias Bundschuh) übertragen. Weitere Figuren wurden ihm zur Seite gestellt: seine tote Mutter, ein in Megafone singender "Chor der Familiengeister", ein Hausarzt, ein Hausmädchen, ein erotischer Vamp und schließlich sogar Edgar Allan Poe selbst. Regisseur Claus Guth versucht vergeblich, die in mehrere Stränge und Perspektiven zerfallende Erzählung zu bündeln. Das kühle Bühnenbild von Christian Schmidt erinnert - wie auch die Video-Projektionen - atmosphärisch an David-Lynch-Filme, spiegelt die Stimmung der Partitur vortrefflich und gibt der Aufführung einen gewissen Halt.

Die Musik arbeitet ebenfalls mit der Verschränkung mehrerer Ebenen. Zur Low-Tech-Welt der Megafone treten Stil-Zitate aus der sogenannten U-Musik und (ermüdende) Anklänge an die Klangwelt der Avantgarde der Nachkriegsjahre. Staud versucht, mit der Form sich entwickelnder Variationen der Oper einen dramatischen Bogen zu geben. Das gelingt mit Fortdauer des fünfaktigen Werks immer weniger. Denn die thematische Substanz dünnt zusehends aus und geht auf Kosten der in den Vordergrund tretenden Tonband-Klänge. So endet, was als dichte, aufwühlende Musik anhub, in beliebig wirkenden Avantgarde-Ambient-Klängen. (Olga Neuwirth hat mit "Lost Highway" jüngst ein atmosphärisch ähnliches Konzept umgesetzt, jedoch mit ungleich konziserer Verschränkung von Elektronik und Orchester-Instrumenten.)

Am besten (und sehr überzeugend) ist Stauds Musik dort, wo die Szene große Sinnlichkeit verlangt: Berenice sind melodiestarke Kantilenen auf den Leib geschrieben, "Relaxed und groovy", "delikat und sexy" sind die Angaben für die Musiker zu teils tonalen Einschüben und Balladen. Aber auch hier entsteht dramaturgisches Ungleichgewicht: Anne-Carolyn Schlüter (als Vamp) und Eva Resch (als Hausmädchen) drängen mit ihren lasziv-erotischen Szenen auch darstellerisch die fahle Berenice in den Hintergrund.

Das Klangforum Wien unter Stefan Asbury ging mit der Partitur äußerst behutsam um und sorgte mit der konzentrierten Umsetzung von Stauds ideenreicher Instrumentation für klangliche Glanzpunkte. Freundlicher Applaus, vereinzelte Buh-Rufe.


 
  



 
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