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Oper als Erotikthriller


Wien: "Don Giovanni" unter Bertrand de Billy

So wie man "Don Giovanni" meist zu sehen und zu hören bekommt, hat Mozart die Oper nie komponiert. Denn Mozart hat zwei Fassungen geschaffen: Eine Prager und eine Wiener Version. Meistens wird eine Mischform der beiden aufgeführt. Für das Wiener Klangbogen-Festival hat Keith Warner die Wiener Fassung inszeniert, die Aufführung endet effektvoll mit Don Giovannis Höllenfahrt. Warners spannendes Regiekonzept lässt das Grübeln über Fassungen allerdings schnell vergessen. Denn der Brite hat hervorgeholt, was in anderen Inszenierungen unter staubigen Perücken und weiten Reifröcken versteckt wird: Sex, Gewalt, Tod.

Indem Warner die Handlung in einem modernen Hotel spielen lässt, trifft er zwei Fliegen auf einen Schlag: Ausstatterin Es Devlin konnte ihm ein funktionelles Bühnenbild für schnelle Auftritte zur Verfügung stellen, ein Raum, der Abläufe verdichtet. Zudem dient ihm das Hotel als Metapher für menschliche Leidenschaft, ein Ort voll Geheimnis, Verführung, Geilheit und Trostlosigkeit.

Mit kleinen Gesten gibt Warner den Handlungen der Bühnenfiguren neue Erklärungsmodelle, ohne dem Stück Gewalt anzutun.

Donna Anna wirft Don Giovanni den Degen zu, mit dem ihr Vater getötet wird. Was sie und Giovanni davor getan haben, bleibt kein Rätsel. Dieses Geheimnis lüften die Beinkleider, die sich die beiden erst hochziehen müssen, nachdem sie aus dem Lift gepurzelt sind.

Die Hotel-Thematik ist konsequent durchgeführt, mit enormem Tempo, buffoneskem Humor und genauem Blick auf Text und Musik, versetzt mit einem Schuss Erotik und filmhafter Krimi-Spannung.

Leporello ist der Concierge, Zerlina und Masetto einfache Hotelbedienstete. Elvira tritt als Hotelgast auf, eine zutiefst verletzte Frau, die doch von Giovanni nicht lassen kann. Vor seinen Verfolgern flüchtet Giovanni durch Hotelkorridore, im Keller des Etablissements "Hotel Universale" erscheint der Komtur als untote Totenmaske in einer Plexiglas-Box.

Dass der Ball eine Swinger-Party ist, die Giovanni mit Drogen am Laufen hält, ist nur konsequent. Die Schlussszene zeigt die Folgen dieses Lotterlebens.

Brillant musiziert Dem hohen Tempo der Inszenierung stehen Bertrand de Billy und das Radio Symphonieorchester Wien um nichts nach. De Billy hat mit dem Orchester bereits vor vier Jahren die Prager Fassung eingespielt. Wie auf dieser Aufnahme musiziert das RSO sehr pointiert, flott und trotzdem detailgenau, Billy sorgt für scharfe Kontraste, abgerissene Accelerandi und trockene Paukenschläge.

Ohne darstellerisch packende Sänger wäre Warners Regiekonzept nicht aufgegangen. Sängerisch überzeugen alle auf höchstem Niveau. Gerald Finley und Hanno Müller-Brachmann sind als Don Giovanni und Leporello ein auch stimmlich ausgereiftes Paar mit starker Bühnenpräsenz.

Myrtò Papatanasiu gibt als Donna Anna das verwirrend schöne Biest, Mathias Zachariassen ist als Don Ottavio wenn schon kein zweiter Wunderlich so doch ein frommes Lamm im Pastorenkostüm, Attila Jun ein einschüchternd orgelnder Commendatore. Heidi Brunners Elvira pendelt zwischen Klamauk und Ernst, Markus Butters gehörnter Masetto schmilzt in Zerlinas Zimmermädchen-Händen dahin. Adriane Queiroz switcht als Zerlina kokett von Maso zu Sado, von der Bitte um Schläge ("Batti, Batti") zum Duett der Wiener Fassung, in dem sie Leporello fesselt und quält.

Bravos für die Sänger, Jubel für das Regieteam und Bertrand de Billy. -> <a href=www.wienerzeitung.at target=_new>wz


 
  



 
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