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Klangbogen: John Caskens "God's Liar"


Existenzielle Zerrissenheit in schwindelnder Höhe

Mit John Caskens Oper "God's Liar" hat der Wiener Klangbogen (in Koproduktion mit der Neuen Oper Wien) ein internationales Erfolgsstück für seine österreichische Erstaufführung nach Wien geholt.

Die Hauptdarsteller von John Caskens "God's Liar" müssen in der Inszenierung von Stephan Bruckmeier nicht nur stimmlich Höhensicherheit beweisen: Drei mehrere Meter hohe Buchstaben aus hellem Holz dominieren die von Klaus Baumeister geplante Bühne im Semperdepot. "ICH" steht da, mit umgestürztem C. Das H dient, mit Hilfe mehrer Leitern, als Kletterturm und Einsiedler-Klause.

Das Ego eines großen (Ver-)Zweiflers steht im Mittelpunkt der Handlung, die auf der Erzählung "Vater Sergius" von Leo Tolstoi beruht. Stepan Kasatsky, russischer Kommandeur einer Schwadron der Leibkürassiere des Zaren, wird eine glänzende Militärkarriere vorhergesagt. Er ist es gewohnt, überall der Erste zu sein. Nur bei seiner Braut ist er es nicht: Kurz vor der Hochzeit gesteht sie ihm, dass sie die Mätresse des Zaren war. Es beginnt eine Leidensgeschichte, die den jungen Fürsten auch im Kloster nicht zur Ruhe kommen lässt. Die Versuchung in weiblicher Gestalt lässt ihn auch als Vater Sergius nicht los, verfolgt ihn in Person einer Witwe und eines sechzehnjährigen Mädchens bis in die Einsiedler-Zelle auf seinem großen "H".

Der englische Komponist hat mit seiner Librettistin Emma Warner sehr wirkungsvoll eine zweite Ebene eingeführt: Ein Regisseur möchte die Geschichte von Vater Sergius verfilmen, gerät jedoch in ähnlich existenzielle Verzweiflung wie seine Filmfigur.

Die Zeitebenen wechseln sich ab, bis sie im letzten Bild verschmelzen, wo sich Vater Sergius als "God's Liar" tituliert. Stephan Bruckmeier nutzt die Bühne geschickt, zuletzt scheinen die großen Lettern allerdings einer wirkungsvollen szenischen Umsetzung des Finales im Weg zu stehen. Das Amadeus Ensemble Wien unter Walter Kobéra lässt die dichte Partitur in tausend Farben schillern, steht akustisch hinter der Bühne und damit etwas im Abseits. Schade, denn Caskens Komposition ist vielschichtig und überrascht immer wieder mit klanglichen Raffinessen.

Steffen Rössler, Ensemble-Mitglied der Volksoper, spielt die Kämpfe des Kasatsky/Sergius mit seinem Über-Ich glaubwürdig und überzeugt mit seinem sehr voluminösen Bass-Bariton. Rebecca Nelsen begegnet ihm in wechselnden Frauenrollen und stellt sowohl die Fähigkeiten ihrer gut geführten Sopranstimme als auch ihre Verwandlungsfähigkeit unter Beweis. Hristofor Yonov bleibt als intellektueller Filmregisseur Stephen darstellerisch und stimmlich farblos und somit hinter seinen Kollegen zurück.


 
  



 
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