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ernste musik

Musikverein: RSO Wien, Bertrand de Billy


Ein Drittes aus E und U Mikrotonale Massage fürs Trommelfell

Mit dem Konzert des RSO Wien startete ein kleiner Fausto-Romitelli-Schwerpunkt bei Wien Modern, bei dem durchwegs Österreichische Erstaufführungen zu hören sind. Und Musik von starker körperlicher Präsenz und Wirkung.

Irgendetwas war anders im Musikverein. Schon die vielen Fahrräder vor Hansens historistischer Musicbox machten stutzig. Und erst das Publikum! Pullover statt Perlenketten. Die Billeteure als Hüter abendländischer Sitten schafften es gerade noch, die durch freie Platzwahl aufgehobene Hierarchie im Goldenen Saal wenigstens für die Direktionsloge zu wahren.

Nicht nur das Publikum, auch die Musik war ungewöhnlich für diese heil’ge Halle. Wien Modern goes Musikverein: Jörg Widmanns „Chor“ etwa hätte wohl ziemliche Unruhe ins Philharmonische Stammpublikum gebracht. Obwohl Widmanns Komposition über weite Strecken einstimmig ist! Der deutsche Komponist dehnt die Unisono-Klänge durch Verunreinigungen der Intonation bis knapp vors Bersten. Mikrotonale Massage fürs Trommelfell, ereignishaft unterbrochen von tonalen Blöcken. Ein Erlebnis, wie geschaffen für die Musikvereins-Akustik.

Benoît Merniers Stück „Intonazione“ war ein harmloser Einstieg in diesen spannenden Konzertabend (inklusive zweimaligem Einsatz von Mozarts großer g-Moll-Symphonie als Handy-Klingelton just während der verhauchenden Schlusstakte). Mit Fausto Romitellis „Dead City Radio“ wurde der Wien-Modern-Schwerpunkt für den im Juni 2004 verstorbenen italienischen Komponisten eingeläutet. „Dead City Radio“ jagt ein Zitat der Strauss’schen Alpensinfonie durch einen spannenden Bearbeitungsprozess, der die Sphären von E und (avancierter) U-Musik gleichermaßen einschließt. Wirkungsvoll auch der Einsatz außergewöhnlicher Instrumente: Megaphone (in die gehaucht und gelispelt wurde), Metronome (à la Ligeti) und eine jaulend krachende E-Gitarre. Selten glückt die Verbindung von E und U mit solcher Wirkung und Selbstverständlichkeit.

Luciano Berios „Stanze“ als Abschlussstück war fast zu fein ziseliert für bereits auf gröbere Keile und körperlich attackierende Klänge eingestellte Ohren. Die letzte große Komposition des im Vorjahr verstorbenen Meisters der vertrackten chromatischen Schichten konnte klanglich wenig überraschen. „Stanze“ umkreisen das Prinzip „Gott“ und wagen einen unsentimentalen Blick auf die letzten Dinge. Bariton Roman Trekel wirkte etwas verloren und vom orchestralen Stimmgewirr überdeckt, der Ungarische Rundfunkchor wirkte als sein musikalischer Schatten. Dem sicheren Dirigenten Bertrand de Billy und dem volltönenden RSO Wien gelangen an diesem Abend durchwegs eindrucksvolle Wiedergaben. Aufregend, in diesem Haus relevante neueste Musik zu hören.


 
  



 
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