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ernste musik

Wiener Festwochen: Ensemble Intercontemporain, Pierre Boulez


Überwältigend wuchernde Wechselrede

Von Idee und Wucherung spricht Pierre Boulez im Zusammenhang mit seinem Spätwerk. Wobei die Betonung klar auf der Wucherung liegt, durch die die Idee erst zum Werk wird. Im Rahmen der Wiener Festwochen waren im Museumsquartier zwei Kompositionen des französischen Meisters unter seiner Leitung zu hören, die dies bezeugen. "Anthèmes 2" und "Répons" bieten ein Raumklang-Erlebnis, für das die Halle E der rechte Ort ist. Die Hörer befinden sich bei "Répons" quasi im klingenden Stück wie in einer Glocke: Um das Publikum sind kreisförmig Instrumentalgruppen und Lautsprecher gruppiert, in der Mitte agiert das Hauptensemble.

Der Erweiterung des Instrumentenklangs und des Hörraumes durch elektroakustische Mittel geht auch Boulez' "Anthèmes 2" für Solo-Violine, Computer und sechs Lautsprecher aus dem Jahr 1997 nach. Um eine Geigenstimme (klar und sicher: Hae-Sun Kang) baut Boulez eine weiträumige Klangkulisse. Die Komposition entwickelt sich aus sich selbst heraus. Teile des Erklungenen werden vom Computer verarbeitet und zu späteren Zeitpunkten wiedergegeben. So begegnet der Solist sich selbst. Alles was klingt, kann den Musiker und die Hörer wieder einholen. Boulez nutzt die (durch die Klänge des Violin-Solisten gesteuerte) Computer-Software virtuos, die Komposition an sich wirkt jedoch eher wie ein Mittel zum Zweck: Die Möglichkeiten der Versuchsanordnung sollen beispielhaft dargestellt werden, die Qualität der Komposition scheint sekundär. Aus dieser Sicht ist "Anthèmes 2" wohl kaum zu den Hauptwerken des Komponisten zu zählen.

Letzteres wird von "Répons" aus dem Jahr 1981 behauptet. In der Tat erscheint es auch nach mehrmaligem Hören riesenhaft und unbezwingbar. Überwältigend ist die Dichte der Wucherungen im Klangraum, die ein ausgeklügeltes System an Lautsprechern und die Aufstellung der Instrumente ermöglicht. Orchester und Dirigent (in diesem Fall das makellose "Ensemble Intercontemporain" und Boulez selbst) befinden sich in der Mitte des Raumes, umgeben vom Publikum. Lautsprecher sowie Solisten mit nachklingenden Resonanz-Instrumenten wie Klavier und Harfe spielen im Rücken der Hörer. Die Themen wachsen aus dem Zentrum in die Peripherie und kreisen dort. Ein dichtes Netz an Bezügen spannt Boulez zwischen dem Orchester, den Solisten und den Realtime-Sounds aus den Lautsprechern. Die Klangsprache ist angereichert mit Ornamenten jeglicher Art, der Kern des Stücks scheint überwuchert von Figurationen. Ein teils beglückendes Hörerlebnis, das aber stets ein unbefriedigendes bleiben muss, weil sich der Verstand im labyrinthischen Geäst des Werks verfängt.


 
  



 
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