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Sunday, 1. December 2002

ernste musik

Wien Modern XI


Organisches Ganzes Als Höhepunkt des Wolfgang-Rihm-Schwerpunktes bei Wien Modern spielte das Radio Symphonieorchester Wien unter Stefan Asbury das "Concerto" des deutschen Komponisten. Die Solopartien lagen in den bewährten Händen des Arditti String Quartet. Davor jedoch interpretierten das RSO und Asbury Toru Takemitsus "Twill by Twilight". Asbury ließ das konzentrierte RSO mit sauberen, satten Klängen strahlen. Isabel Mundrys "Flugsand" kam beim Publikum sehr gut an, was wohl auch an dem interessanten Raumklang-Erlebnis liegt, das dieses Stück - mit in allen vier Himmelsrichtungen verteilten Musikergruppen - bietet. Das "Conterto" für Streichquartett und Orchester schließlich zeigte die Stärken von Rihms Komponieren: Eines scheint das andere zu bedingen, ohne in einem übergestülpten System, einer eindimensionalen Strategie gefangen zu sein. "Geist und Gefühl vereinen" nennt das der Meister selbst. Körper (das Orchester) und Nerven (das Streichquartett) evozierten ein spannungsreiches, organisches Ganzes. <a href=www.wienerzeitung.at target=_new>wz


 
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ernste musik

wien modern X


Musik am Rande des Nichts Das Arditti String Quartet trat zu seinem mittlerweile traditionellen Auftritt bei Wien Modern an - und zeigte dabei, welch singuläre Erscheinung Helmut Lachenmann als Komponist ist. Seine Auffassung vom musikalischen Material unterscheidet sich grundsätzlich von traditionellen Sichtweisen. Lachenmanns Kompositionen konstituieren sich nicht durch Beziehungen zwischen Tönen im Sinne einer übergeordneten Harmonielehre, sondern durch die Qualität von Klangzuständen. Klar definierte Töne sind da nur eine von vielen Möglichkeiten, Spannung zu erzeugen. Zunächst spielten Pianist Ian Pace und die Ardittis das Klavierquintett "Spur" von Beat Furrer. Ein wohlgewählter Titel, bewegen sich doch die Musiker an der Grenze zum Nicht-Spielen: Flautando, Pizzicato und Glissando sind die dominierenden Spieltechniken. Dem Klavier stehen diese Möglichkeiten nicht zur Verfügung, Furrer hilft sich mit hingetupften Läufen und Staccato-Schwaden. Die Abwesenheit von Etwas, die Schatten der Klänge, die Abdrücke der Töne dominieren das Bild, das mit Dauer des Stückes jedoch ein recht eintöniges wird. Furrer operiert mit ähnlichen Klängen wie Lachenmann - und schafft nicht im Entferntesten so schlüssige Klangwelten. Wolfgang Rihm weicht der Bestimmtheit nicht aus - das Arditti Quartet modulierte mit seinem 12. Streichquartett eine handfeste Spannungskurve von Pianissimo-Akkorden zu mächtigen Klangräumen und wieder zurück. Hilda Paredes "Cotidales" für Klavierquintett ist abschnittweise von bestimmten Spieltechniken geprägt und zeigte die Perfektion auf, mit der Pace und das Quartett musikalisch zu kommunizieren im Stande sind. Lachenmanns drittes Streichquartett "Grido" sorgte an diesem Abend für die bis dahin fehlende faszinierende Spannung, die man vom Arditti Quartet ungerechterweise schon fast gewohnt ist. Musik, die sich teilweise am Nichts bewegt und virtuose Interpreten braucht - auch wenn es in manchen Momenten nur darum geht, mit dem Bogen über die Schnecke der Geige zu streichen. Jubel für Irvine Arditti, Graeme Jennings, Dov Scheindlin und Rohan de Saram. <a href=www.wienerzeitung.at target=_new>wz


 
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ernste musik

wien modern IX


Geist und Gefühl "Wie aus der Steinzeit" kam Wolfgang Rihm, dem bei "Wien Modern" ein Komponisten-Schwerpunkt gewidmet ist, eine Uraufführung eines seiner Jugendwerke vor. Siegfried Mauser nahm sie im Neuen Saal des Konzerthauses vor. Von der Haltung her sei ihm dieses Klavierstück aus dem Jahr 1968/69 fremd, meinte Rihm im anschließenden Gespräch mit Mauser. Dass der Pianist dabei auch in die Saiten greifen muss, sei ihm heute "so peinlich". Als zu einer gewissen Zeit das Zupfen zur Manie ausgeartet ist, sei ihm diese Spieltechnik unmöglich gemacht worden. Vorgeformte Strategien sind Rihm schon immer suspekt gewesen. Die Frage, die ihn beschäftigt hat: Wie kommt man zu einer Artikulation von Musik, "die im Vortrag Geist und Gefühl vereint"? Sein Ziel: "Aus Gelungenem neue Fragen gewinnen." Dass Rihm ästhetischer Stillstand schon damals fern lag, bewies sein "Klavierstück Nr. 7". Hier sind die Kontraste noch dichter, ein mit aller Kraft gedroschener Es-Dur-Akkord kehrt die Hörgewohnheiten um: Konsonanz wird zur Dissonanz. Die Zertrümmerung der Tonalität durch Repetition. Zudem ist es nicht von großen Sprüngen geprägt wie das Stockhausen-inspirierte erste Klavierstück. Rihms siebtes Streichquartett aus dem Jahr 1985 schreibt den zwei Geigen und der Bratsche vor, neben ihrer streichenden Tätigkeit auch Holzblöcke mit einem Schlägel zu traktieren. Das Cello bleibt trotzig bei seinen Leisten, bricht in eine wie von Sinnen wiederholte einfachste Kadenzformel aus und wird von den Mitspielern zuletzt gnadenlos zurechtgeklopft. Vor dem letzten Rihm'schen Werk erklang "Five Covered Settings" von Johannes Kalitzke. Fünf klanglich sauber voneinander geschiedene Teile sind auszumachen: gepresste Klänge (erster Satz), wild auffahrende Figuren (zweiter), geräuschhaftes Schlingern (dritter), wilde Ostinati, die in vereinzelten Ereignissen und fahlen Klangfarben verebben (vierter und fünfter Satz). Rihms "Interscriptum" gab zu interessanten Vergleichen Anlass. Das Klavierquintett ist eigentlich ein Duo für Streichquartett und Klavier, hat Rihm hier doch sein zwölftes Streichquartett mit einem Klavierpart garniert. Wie von Ferne beobachtend wirkte letzterer, nur am Schluss gibt das Klavier der Komposition harmonisch andere Drehs. Das Minguet-Quartett spielte das zwölfte Quartett Rihms mit anderen Klangfarben als am Vortag das Arditti String Quartet - musikalisch höchst eigenständig, technisch aber nicht ganz auf dem Weltklasseniveau der Ardittis. <a href=www.wienerzeitung.at target=_new


 
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