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Wednesday, 4. June 2003

theater

Wiener Festwochen: "De Onderneming" spielt "The Notebook" nach Agota Kristof


Die anstrengende Suche nach Wahrheit

In weißer Unterwäsche stehen sie da: zwei junge Männer, schnell, präzise und gleich in ihren Bewegungen. Es sind Zwillinge. Die Antwerpener Theatergruppe "De Onderneming" hat die Roman-Trilogie der in Ungarn geborenen Schriftstellerin Agota Kristof, die mit dem Band "Das große Heft" (The Notebook) beginnt, auf die Bühne des Schauspielhauses gebracht. Hauptfiguren sind die Zwillinge Claus und Lucas. Günther Lesage und Robby Cleiren spielen präzise mit dem harten Rhythmus der Sprache. Auf der fast leeren Bühne stehen ihnen Ryszard Turbiasz und Carly Wijs in wechselnden Rollen gegenüber.

Die Darsteller haben sich den Stoff ohne Regisseur in zwei Teilen erarbeitet. "Das große Heft" bleibt nah an der Roman-Vorlage, die sich in ihrer straffen Sprache für die Bühne empfiehlt. Die jungen Zwillinge versuchen ihre entbehrungsreiche Umgebung zu ertragen, indem sie mit "Übungen" ihre Emotionen abtöten. Sie fügen sich und anderen Leid zu, um ihr eigenes Leid besser ertragen zu können. Und um einen klaren Blick zu behalten. Die Geschichte Ungarns bildet den Hintergrund und die Zeitschiene der Handlung, die Zwillinge erleben den Zweiten Weltkrieg und die Besatzung durch Russland.

In ihrer autistischen Welt vergessen sie nichts. Auf eine Pfarrers-Gehilfin, die einem Tross vorbeiziehender Nazi-Häftlinge das Brot vor die Nase hält, um es dann selbst vor deren Augen zu essen, verüben sie einen hinterhältigen Anschlag. Sie erpressen den pädophilen Pfarrer des Ortes, damit er dem missbrauchten, kranken und behinderten Mädchen Almosen gibt. Schließlich schicken sie ihren Vater in den (Minen-)Tod an der Staatsgrenze, damit einer von ihnen selbst fliehen kann.

"The Notebook" gehört durch seine klare Direktheit zum bisher Besten der heurigen Festwochen. "The Proof", der zweite Teil der Aufführung, der den zweiten und dritten Band von Kristofs Trilogie umspannt, verfolgt eine andere Erzählstrategie: den der Verwirrung. Die Zwillinge sind getrennt. Es beginnt ein Spiel um Wahrheit und Lüge. Hat Lucas, der unter kommunistischer Herrschaft aufwächst, wirklich einen Bruder? Ist das, was im ersten Teil erzählt worden ist, nur die literarische Fantasie eines Kindes? Einer der Brüder macht sich auf die Suche, er findet einen Mann, der sein Bruder sein könnte, dies aber verleugnet. Was als Wahrheit präsentiert wird, kann sich in der nächsten Szene als Lüge erweisen.

Die literarische Vorlage des zweiten und dritten Roman-Teils ist weniger minimalistisch, umso größer sind die Schwierigkeiten bei der szenischen Umsetzung. Das verwirrende Spiel um die Identität der Zwillinge wirkt in seiner theatralen Form zusehendes ermüdend, lohnt jedoch die Geduld. Dankbarer Applaus.


 
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