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ernste musik

Debüt voll aufrichtiger Emotionalität


Musikverein: Daniel Harding erstmals mit den Wiener Philharmonikern

Jungstar Daniel Harding debütierte mit Mahlers Zehnter Symphonie als Dirigent der Wiener Philharmoniker. Die Erwartungen waren hoch.

Kühn und klug wählte Daniel Harding sein Einstandswerk bei den Wiener Philharmonikern. Gustav Mahlers nicht vollendete Zehnte Symphonie ist ein Dokument größten Schmerzes und gehört zu den bestaunenswertesten Orchesterwerken. Die „Zehnte“ ist keine „Unvollendete“ im eigentlichen Sinn. Mit Ausnahme des ersten Satzes ist sie als vollständiges Skelett überliefert. Das einleitende Adagio konnte der Komponist noch instrumentieren, die Sätze zwei bis fünf sind nur als harmonisches und melodisches Gerüst überliefert. Jede Aufführung kann nur eine Werkumkreisung sein und muss mit einer Instrumentation aus zweiter Hand arbeiten. Wie die meisten Dirigenten wählte der 29-jährige Brite Deryck Cookes Version.

Mahlers Zehnte ist, gleich allen großen Kunstwerken, für verschiedenste Projektionen offen. Biografisch gesehen ist sie eine Erzählung von Weltschmerz und Verzweiflung. Mahler erfuhr zur Entstehungszeit vom Verhältnis seiner Frau Alma mit Walter Gropius. Das Manuskript ist voll flehender Eintragungen („für dich leben! für dich sterben! Almschi“). Auch aus analytischer Perspektive ist das Werk bedeutend: Es öffnet mit einem markerschütternden Neunton-Akkord die Tür zur Moderne und übertritt diese Schwelle im letzten Satz mit isolierten, krachenden Trommelschlägen. Und es ist Ausdruck verzweifelter Leidenschaft, Entsagung, erfüllter Selbstaufgabe. Im Paradox eines nicht vollendeten Kunstwerks sind diese Gefühle vollendet erfasst.

Das klangliche Erscheinungsbild der Wiener Philharmoniker ist von einem Generationswechsel geprägt. Bei den Streichern trifft ein Noch-Nicht-Ganz auf ein Nicht-Mehr-Wirklich. Das einleitende Solo der Bratschen wirkte technisch nicht souverän. Dem großen warmen Klang, für den die philharmonischen Streicher bekannt sind, näherte sich die Orchestergruppe erst im letzten Satz. Im Piano- und Pianissimo-Bereich vermochten sie Harding hingegen präzise zu folgen, klanglich atemberaubend unverschleiert.

Die Bläser musizierten intonationssicherer und markanter als ihre Streicherkollegen: Jedes Horn-Solo ein Ereignis, jeder Trompetenstoß ein kleiner Schock, jede Posaunenfigur plastisch geformt. Und wären da nicht die engen Stuhlreihen gewesen, man hätte sich während des bekannten Flötensolos des letzten Satzes heulend auf den Boden geworfen, so erschütternd schön war das.

Debütant Daniel Harding scheint das Vertrauen der Musiker erobert zu haben. Untrüglich stellte sich das Gefühl ein, dass der Dirigent trotz seiner Jugend das Orchester an die Qualität einstiger Glanzzeiten heranführen kann. Harding, der Mahlers Zehnte zuvor mit verschiedenen Orchestern aufgeführt hat, spielte seine Vertrautheit mit dem Werk aus: Seine Interpretation verband die Ausformung musikalischer Details mit untrüglichem Gespür für musikalische Sogwirkungen, bestach durch abgefederte Tempoübergänge und eine musikantische Überzeugungskraft, die nicht nur das Orchester fesselte.


 
  



 
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