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ernste musik

Auf der Suche nach dem verlorenen Bach


Musikverein: Wiener Philharmoniker, Schoenberg Chor, Daniel Harding

Johann Sebastian Bachs „Matthäus-Passion“ läutete das heurige „Osterklang“-Festival ein. Daniel Harding gelang eine Interpretation von großer Spannung, im Detail suchte er den Kompromiss.

Zum dritten Mal haben die Wiener Philharmoniker die Matthäus-Passion im Rahmen des Festivals „Osterklang“ aufgeführt. Die Bach-Experten Helmuth Rilling und Nikolaus Harnoncourt waren die Vorgänger des diesjährigen Dirigenten Daniel Harding. Der dynamische Engländer, der heuer mit Mahler sein Debüt bei den Wiener Philharmonikern gefeiert hatte, ist zwar kein ausgewiesener Spezialist für historische Aufführungspraxis, doch gehört er einer Generation von Musikern an, denen das barocke Vokabular selbstverständlich geworden ist. Denn längst geben die Originalklang-Ensembles die Standards für dieses Genre vor. Das Klangideal ist ein entschlacktes. Mehr noch: Durch die Wiederentdeckung der rhetorischen Ausdrucksmittel wissen wir, dass nicht nur die Worte zu uns sprechen. Auch die Musik ist Text – diese Erkenntnis erlaubt ein neues Verstehen des Bachschen Passionswerks.

Ist Harding ein Musiker, der mit diesen Errungenschaften aufgewachsen ist, müssen die Wiener Philharmoniker um ihren Bach kämpfen. Ein Dirigent wie Daniel Harding kommt dem Orchester entgegen. Er bricht nichts übers Knie, fordert von den Philharmonikern keine Selbstverleugnung. Details – auch im Sinne rhetorischer Figuren – schienen weniger wichtig genommen als der Gesamtaufbau des riesigen Werks. Vor allem die dramatischen, dialogischen Momente der Matthäus-Passion gelangen Harding beeindruckend, kraftvoll und rhythmisch federnd. Großen Anteil daran hatte der präzise Arnold Schoenberg Chor.

Die Begleitung der Arien gelang weniger eindrucksvoll. Was dem Orchester fehlte, war die Selbstverständlichkeit, einen gemeinsamen, tänzerischen Grundpuls zu finden. Man könnte auch sagen: barocken Groove. Darauf bauen Spezial-Ensembles ihre Interpretationen auf, wie das die Philharmoniker mit der verzögerten Drei beim Walzer tun. Trotz Hardings intensivem Bemühen klang vieles nicht leicht, sondern angestrengt, dem Orchester unterliefen rhythmische Fehler. Die Intonation, die bei Originalklang-Ensembles die Tonartencharakteristik hörbar macht, blieb an manchen Stellen uneinheitlich, die Musiker rückten nicht im selben Grad von der romantischen Leitton-Ästhetik ab.

Rundum überzeugend waren nur Einzelleistungen. Allen voran die der Sänger. Der Arnold Schoenberg Chor begeisterte mit warmem Choral-Klang und packender Präsenz bei den dramatischen Chorpassagen. Mark Padmore sang einen wortdeutlichen, höhensicheren Evangelisten - eine Idealbesetzung. Olaf Bär gab einen sicheren Jesus, Christine Schäfer führte ihren Sopran sensibel, Anne Sofie von Otters Mezzo klang etwas robuster. James Taylor ließ mit durchschlagskräftigen Tenor-Soli aufhorchen, Neal Davies meisterte die Bass-Arien souverän. Der Amadeus Knabenchor Wien rundete die makellosen Gesangsleistungen ab.


 
  



 
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