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ernste musik

Zuckerbrot und Peitsche


Musikverein: Wiener Philharmoniker, Daniel Barenboim

Dank Daniel Barenboim und weil Pierre Boulez heuer seinen 80. Geburtstag gefeiert hat, durfte man die Wiener Philharmoniker als Interpreten zeitgenössischer Musik erleben. Und das war gut so.

Heiß-kalt gab Daniel Barenboim dem philharmonischen Publikum. Mit Musik von Pierre Boulez drang verhältnismäßig schräge Musik an die verwöhnten Musikvereins-Ohren. Mit anderen Worten: Endlich wieder ein Stückchen Gegenwart im Philharmoniker-Programm, geleitet vom Uraufführungs-Dirigenten. Und Barenboim verabreichte lindernden Balsam: Mit einem weit ausschwingenden Beethoven gab’s nach der Pause Zuckerbrot nach der Boulez-Peitsche. Aufreger war Boulez freilich keiner. Die „Notations“ für Orchester wurden höflich kopfschüttelnd aufgenommen, aber man hatte nicht das Gefühl, dass sie auf großes Verständnis gestoßen sind.

Von der Soziologie zur Qualität der Veranstaltung: Stark vereinfacht gesprochen heißen die musikalischen Väter von Pierre Boulez Webern und Debussy. Wenn man ihnen nun die Kategorien „Struktur“ und „Klang“ zuordnen will, so sind Barenboims Boulez-Interpretationen eindeutig am Klang orientiert, die Struktur-Komponente tritt in den Hintergrund. Die musikalischen Ereignisse vereinzeln nicht, Barenboim nimmt aber in Kauf, dass Details – im Gegensatz zu Boulez-Versionen anderer Dirigenten – verschwimmen. Ein Ansatz, der sowohl dem Orchester mit seinem spezifischen Klang als auch der gegebenen Akustik entgegen kam. Die Philharmoniker waren mit Ernst bei der Sache und Barenboim bedachte die Leistung seiner Musiker nach dem Verklingen der letzten Note mit einem deutlich vernehmbaren „bravo“. Nicht nur in der riesenhaften Orchesterbesetzung der „Notations“, auch in kleiner Formation widmete man sich mit Gewinn dem Schaffen von Boulez. Sechs junge Philharmoniker um den Solo-Cellisten Tamás Varga vertieften sich überzeugend in „Messagesquisse“ für sieben Violoncelli.

Nach der Pause durfte das Publikum aufatmen. Barenboim und die Philharmoniker brachten eine äußerst bekömmliche „Eroika“ zu Gehör, ernsthaft und breit. Auch hier war Barenboim weniger an Details interessiert denn an flächiger Entwicklung. Energie wurde nicht aus dem dialektischen Aufeinanderprallen kleiner Einheiten gewonnen, sondern durch das Überbetonen der Übergänge von einem musikalischen Großraum zum nächsten erkämpft.


 
  



 
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