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ernste musik

wien modern II


Wien Modern: Radio Symphonieorchester Wien, Kalitzke

Aufgebrochene Form und virtuose Stimmen

Der wuchtig-monolithischen Sound-Installation von „Granular=Synthesis“ am Eröffnungsabend folgte bei Wien Modern ein Konzert mit klassischer Orchesterbesetzung. Das Radio Symphonieorchester Wien spielte Werke, deren Texturen der geradlinigen Struktur des Eröffnungsabends diametral entgegengesetzt sind.

Unter Dirigent Johannes Kalitzke erklangen Stücke, die von starken Kontrasten geprägt sind und denen das Aufbrechen der Komposition selbst eingeschrieben ist. Allen gemeinsam: die Einbeziehung der menschlichen Stimme.

Reinhard Fuchs' „Wo Angst auf Umhülle prallt“ ist für eine Solo-Stimme und Orchester konzipiert. Das Auftragswerk von Wien Modern entwickelt sich über Wellen von ereignisreicher, vielschichtiger Themenarbeit zu einem klanglich fulminanten Höhepunkt. Erst nach diesem fängt die zuvor als Sprechstimme geführte Solostimme zu singen an und verschmilzt mit den homophoner geführten Instrumentalstimmen. Am Ende einer wirkungsvollen Coda haucht die Stimme sprichwörtlich ihr Leben aus. Die zu Grunde liegenden Textzitate (Edgar A. Poe, Adolph Wölfli, Giuseppe Ungaretti) erzählen von Vereinzelung und einem gefangenen Ich - Fuchs setzt sie in eine beklemmende Tonsprache um.

Bricht Fuchs mit der Exponierung einzelner Lautfolgen seine Textvorlage ansatzweise auf, geht Chaya Czernowin mit der menschlichen Stimme radikaler um.

„Shu Hai in an orchestral setting“ verlangte von der souveränen Solistin Ute Wassermann höchste Stimmakrobatik. Czernowin schreibt alle erdenklichen Möglichkeiten der Artikulation vor, vom Hauchen bis zum Röcheln. Die Stimme erklingt dabei über sechs im Raum verteilte Lautsprecherpaare als gespaltene Persönlichkeit. Nach wuchtigen Ausbrüchen des Orchesters gibt die Komponistin immer weniger formale Anhaltspunkte - vor den Ohren des Hörers löst sich das Werk zusehends auf.

Formal Geschlossenheit hingegen strebt Gérard Grisey mit seinem Stück „L' Icone paradoxale“ an. Es folgt in seinen Proportionen der strengen Bildkomposition der „Madonna del Parto“ des italienischen Renaissancemalers Piero della Francesca. Grisey schöpft aus den klanglichen Möglichkeiten seiner „spektralen“ Kompositionsmethode, erschafft dichte ätherische Klangräume und nutzt die Raumkonstellationen eines spiegelsymmetrisch positionierten Orchesterapparates. Anna Maria Pammer (Sopran) und Lani Poulson (Mezzo) ließen ihre Stimmen gekonnt im Gesamtklang des Orchesters aufgehen. „L' Icone paradoxale“ ist auf den ersten Blick nicht das spektakulärste Werk des 1998 verstorbenen Franzosen, aber ein formal und klanglich mit sicherer Virtuosität konstruiertes.

Kalitzke und das RSO absolvierten diesen stimmig konzipierten Abend konzentriert, obschon viele klangliche Details bei Grisey „L'Icone“ durch präzisere Ausführung zu größerer Wirkung hätten gebracht werden können.

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