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theater

Schauspielhaus: Das verräterische Herz


Atemberaubender Monolog nach E.A. Poe

Dunkelheit. Fast unmerklich fällt ein feiner Lichtstrahl auf ein Gesicht, das körperlos im schwarzen Nichts der Bühne zu schweben scheint. Regisseur Barry Kosky gibt dem Publikum zunächst einmal Zeit, sich auf das einzulassen, wovon es gefesselt sein wird: Martin Niedermairs Gesicht. Eine Holzstiege, ein paar Scheinwerfer und ein Klavier. Mehr brauchen Barry Kosky und sein Darsteller Martin Niedermair nicht, um aus Edgar Allan Poes kurzem Text "Das verräterische Herz" einen schaurig fesselnden und präzisen Theaterabend zu machen.

"Es ist wahr!" So lautet der erste Satz dieses inneren Monologs von Poe, mit dem Kosky und Niedermair tief in die psychologischen Abgründe eines geisteskranken Mörders vordringen. Das Verbrechen wird an einem alten Mann begangen, dessen Blick der Erzähler nicht ertragen kann. Der Mörder, von einem überempfindlichen Gehörsinn gequält, erzählt, wie er den Alten zerstückelt und unter Bodendielen versteckt hat. Als die Polizei kommt, glaubt er, das Herz des Getöteten pochen zu hören - und verrät sich.

Bewundernswert präzise setzt Barry Kosky, verantwortlich für Regie, Licht und Musik, einfache theatrale Mittel ein. Martin Niedermair sitzt still auf einer langen Holztreppe. Alle Bewegung passiert, außer während kurzer und umso intensiverer Ausbrüche, im Gesicht des ausgebildeten Musical-Sängers. Das Sehen ist auf den Kopf des Darstellers und seine nervösen Ticks konzentriert, das Hören auf seinen mikrofonverstärkten Sprechapparat. Sein Zähneklappern, Zungenschnalzen, Knirschen und Schmatzen hallt durch den atemlos stillen Raum. Höchste Spannung erzeugt Niedermair auch durch eine Interpretation des Textes, die jedem Wort Raum und Zeit gibt, sich im Kopf des Publikums als Bilder zu manifestieren. Jede Silbe wird auf ihren emotionellen Gehalt abgeklopft, der rechte Subtext gefunden.

In die Erzählung hat Kosky, der selbst am Klavier begleitet, Musik von Bach, Purcell, Kreisler und Wolf eingeflochten. Das sorgt für fesselnde Momente und gibt Niedermair die Möglichkeit, sein umfassendes Können als Sänger (sogar kopfüber auf der Treppe liegend) unter Beweis zu stellen.

Im liebevoll gestalteten Programmheft finden sich Bilder von Francis Bacon. Von ihnen lässt sich sagen, was auch für diese Produktion gilt: Beide zeigen das unsichtbare, von Wahnsinn und Weltschmerz gezeichnetes Gesicht hinterm Gesicht eines Menschen.


 
  



 
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