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ernste musik

Musikverein: Wiener Philharmoniker, Valery Gergiev


Unorthodoxe Dirigierkunst sorgt für unterschiedliche Ergebnisse

Ein Benefizkonzert für die SOS-Kinderdörfer und das späte Abschlusskonzert des "Klangbogen" absolvierten die Wiener Philharmoniker am vergangenen Wochenende. Beide Male der Dirigent: Valery Gergiev.

Die Wiener Philharmoniker stellten am Wochenende mit Valery Gergiev zwei Programme im Musikverein vor. Doch zunächst ging es nicht um Musik. Ohne Gage spielten Orchester und Dirigent Strauß-Walzer und Tschaikowskijs "Pathétique". Siemens und Generali sponserten, die Vertreter der SOS-Kinderdörfer durften sich über 390.000 Euro freuen. Und der aus Ossetien stammende Dirigent stand augenscheinlich noch unter dem Eindruck des an diesem Tag eskalierten Geiseldramas in seiner Heimat.

Die versammelte Wirtschafts- und Banken-Prominenz lauschte vier straffen, wohltuend unsentimentalen Strauß-Walzern. Gewohnte wienerische Schmalz-Stellen fehlten, dafür hoppelten Gergievs Walzer mit rasantem Schwung.

Von Gergiev weiß man, dass er große Klangmassen bewegen kann. Warum für’s Kleine interessieren, wenn’s im Großen auch ohne Details geht, fragte man sich nach einer wuchtigen Tschaikowskij-"Pathétique". Die Celli unsauber? Ein Teil der Bratschen verschläft einen Tempowechsel? Die Steigerung beginnt, bevor sie in der Partitur verzeichnet ist? Egal. Gergiev wirkt. Unrasiert und mit zitternder Schlaghand an ein zahnstochergroßes Stäbchen geklammert.

Hin und her gerissen zwischen Beckmessern und Respekt vor der emotionalen Kraft der Interpretation entließ Gergiev den kritischen Hörer. Der russische Star-Dirigent gönnte sich am Samstag das Spiel Österreich-England im Happel-Stadion. Und obwohl Gergiev angeblich für England die Daumen gedrückt hatte, saß Tags darauf, beim letzten Konzert des heurigen "Klangbogen", ÖFB-Präsident Friedrich Stickler im Publikum.

Den Zuhörern wurden drei Wagner-Piecen um die Ohren geblasen. Gergiev dämpfte eskalierende Forte-Stellen bei den Preziosen aus "Tannhäuser", "Die Walküre" und "Götterdämmerung" oft zu spät. Die Philharmoniker spielten ihre Opern-Routine aus, mehr als Gergiev sorgte Konzertmeister Rainer Küchl für musikalische Impulse, seine Kollegen folgten in Perfektion.

Dmitri Schostakowitschs 11. Symphonie "Das Jahr 1905" war der letzte Knoten im thematischen roten Faden des heurigen "Klangbogen"-Festivals: ein auskomponierter Schrei nach Freiheit. Der Titel bezieht sich auf das blutige Ende einer Großdemonstration vor dem St. Petersburger Winterpalast. Die Symphonie, die mit drastischen musikalischen Mitteln Gewehrschüsse in eine Menschenmenge darstellt, galt einige Zeit als Musterbeispiel für "sozialistischen Realismus". Zuletzt wurde sie allerdings auch als Allegorie des niedergeschlagenen Ungarn-Aufstandes von 1956 gelesen.

Eine Frage, die kaum je sauber zu entscheiden sein wird. Die Wiener Philharmoniker jedenfalls trumpften auf. Gergiev stellte die menschliche Tragödie in den Vordergrund. Seine erschütternde Interpretation wurde nie plakativ und verwirklichte die tragischen Momente der Partitur, die Bruchstellen zwischen den großen Klang- und Rhythmusflächen, mit großer Präzision. Eindrucksvoller lässt sich diese Symphonie nicht denken.


 
  



 
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