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ernste musik

Eine herbe Enttäuschung


Konzerthaus: Daniel Barenboim spielte Bachs „Wohltemperiertes Klavier“

Daniel Barenboim stellte sich im Wiener Konzerthaus mit dem Presslufthammer an den Sockel seines pianistischen Denkmals und arbeitete mit Erfolg an dessen Demontage.

Nach wenigen Takten Schweißausbrüche. Dann Mitleid wie beim Beobachten eines ehemaligen Eisläufers, der versucht, seine einstige Weltmeister-Kür zu laufen, aber ständig aufs Eis knallt. Schließlich Fassungslosigkeit. Daniel Barenboims Interpretation des ersten Bandes von Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ löste beim Hörer und Kritiker mannigfaltige Reaktionen aus.

Das einstige Klavier-Wunderkind, das als Dirigent eine Weltkarriere hingelegt hat, spielte Bachs Meisterwerke klanglich, rhythmisch, technisch, musikalisch und agogisch ungenügend. In 24 Präludien und Fugen fand sich keine einzige barockähnliche Phrasierung. Haupt- und Nebenstimmen verschwammen hinter einem dichten Pedal-Nebel. Den Blick ständig an die Noten geheftet, stocherte sich der Pianist durch die polyphonen Welten. Bei jedem internationalen Klavierwettbewerb wäre Barenboim mit dieser Leistung schon in der ersten Runde gescheitert. Nein: Man hätte ihn gar nicht eingeladen.

Was noch mehr verwundert als die pianistische Unzulänglichkeit: Auch musikalisch war kein Konzept zu erkennen. Barenboim konnte keine nachvollziehbare Vorstellung, keine Idee der Stücke vermitteln. Es sei denn sinnloses Bässe-Dreschen, säuselndes Nebenstimmen-Winseln, dilettantisches Läufe-Nudeln und das Spielen falscher Töne (nach Noten!) ist ein gültiges Interpretations-Konzept.

In einem Zeitungsinterview hat Daniel Barenboim angekündigt, die Chef-Position beim Chicago Symphony Orchestra im Jahr 2006 aufzugeben, weil er wieder mehr Zeit am Klavier verbringen wolle. Er hätte es umgekehrt machen sollen. Zuerst üben. Dann auftreten.


 
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Das Lied als dramatische Kunst


Konzerthaus: Thomas Hampson, Wolfram Rieger

Klangmächtig und mit dramatischer Geste interpretierte Bariton Thomas Hampson Lieder von Gustav Mahler. Ein Komponist, mit dem sich der gebürtige Amerikaner intensiv beschäftigt hat.

Lösen Klavier-Soli Hustenreiz aus? Das Konzert von Thomas Hampson im Rahmen des Festwochen-Musikfests legt das nahe. Kaum hatte Hampson den Mund geschlossen und Wolfram Rieger den pianistischen Abgesang begonnen, schon ging es los: Husten, Röcheln, Heiserkeit. Trotzdem dürfte die Meisterschaft dieses „Begleiters“ nicht allen Hörern entgangen sein, wenn man den nachdrücklichen Schlussapplaus für Rieger als Maßstab nimmt. Zu Recht, denn Rieger spielte pointiert, flexibel und präzise, mit deutlichen klanglichen Abstufungen und überrumpelnden Stimmungswechseln von erschreckender Vehemenz zu schwebender Klanglichkeit.

Thomas Hampson gilt als einer der führenden Mahler-Interpreten. Dank seiner voluminösen Stimmkraft und seiner am Dramatischen orientierten Interpretation fokussierte Hampson alle Aufmerksamkeit auf sich. Der Bariton nutzte die Spannweite seiner Stimme vom Flüstern bis zum Schreien. Im Detail wirkte das oft polternd und wie mit dickem Pinselstrich aufgetragen. Plakativ wurde es nicht, dazu ist Hampson zu tief in die Materie gedrungen (der Sänger beschäftigt sich im Rahmen der Mahler-Forschung auch mit editorischen Fragen).

Das zeigte sich zudem in der intelligenten Zusammenstellung des ersten Programmblocks. Hampson versammelte Mahler-Lieder zum Thema Militär: Vom jugendlichen Überschwang („Frühlingsmorgen“) gelangte Hampson zum Gefangenen („Lied des Verfolgten im Turm“), Deserteur („Zu Straßburg auf der Schanz’“), Delinquenten („Der Tamboursg’sell“) und schließlich zu „Revelge“, einem Lied, das den Schrecken des Krieges auf den Punkt bringt.

Schrie Hampson als „Tamboursg’sell“ gegen sein Schicksal an und überschritt damit die Grenzen des Schöngesangs, tastete er sich an die „Kindertotenlieder“ mit größerer Vorsicht heran. Über welch mächtige Stimme Hampson verfügt, zeigte er dann noch einmal mit den Rückert-Liedern. Mächtig schmetterte „Du hältst die Wacht!“. Ganz so, als wolle Hampson die Trompeten-Klänge der Orchesterfassung evozieren. Neben seinem unvergleichlichen Volumen war auch Negatives zu verzeichnen: Nicht immer gelangen Hampson alle Lagen-Übergänge sauber, tiefe Piano-Töne verloren im Vergleich zu anderen Stimmlagen deutlich an Qualität.


 
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Konzerthaus: Alfred Brendel spielte Mozart, Beethoven, Schubert und Schumann


Radikal subjektiv

Eine Woche nach Maurizio Pollini durfte man beim Festwochen-Musikfestival mit Alfred Brendel einen weiteren Klavier-Titanen in seiner Reifephase erleben.

Ein Instrument, zwei Klangwelten. Wie unterschiedlich Klaviere desselben Herstellers unter pianistischen Meisterhänden klingen können, zeigten Konzerte des Musikfests im Rahmen der Wiener Festwochen. Maurizio Pollini und Alfred Brendel bewegten sich in ihrem ureigensten Repertoire mit gegensätzlichen Klangidealen. Brendel weich, wolkig, höchst subjektiv; Pollini kantig, schillernd und an der absoluten Struktur interessiert. Beide Ansätze sind in sich schlüssig und für sich gültig, beide das fruchtbare Ergebnis einer Kreuzung von Intellekt und Emotion.

Mit zunehmendem Alter scheint sich beider künstlerisches Profil vertieft zu haben: Steht bei Brendel Werktreue für das Selbstverständnis eines Interpreten, der im Moment des Musizierens das Werk neu erfindet, ist bei Pollini das Streben nach der perfekten Realisierung der Komposition als Konstruktion zusammengefügter Töne hehres Ziel. Hier Klang als absolute, dort Klang als subjektive Qualität.

Mit keinem anderen Stück kann das Brendel exemplarischer zeigen als mit Robert Schumanns „Kreisleriana“. Nicht, dass man in Brendel den kauzigen Kapellmeister der literarischen Vorlage sehen soll. Parallelen lassen sich jedoch nennen: das Eröffnen neuer Welten, das unerwartete, poetische Spiel der Kräfte der einmal in Gang geratenen Musik. Der „reife“ Brendel lässt den Tönen die Zeit, nach der sie verlangen, verbindet das polyphone Geflecht und die schwebende Klanglichkeit in nuancenreicher Anschlagskunst. Gerade bei Schumann ist die Synthese von Polyphonie und Klang so schwierig und doch muss sie das Ziel sein. Hier wurde es erreicht.

Ebenso eigenwillig führte Brendel Mozarts Variationen über ein Menuett von Jean Pierre Duport wie ein kleines Hündchen vor. Mit großem Ernst und doch kindlicher Freude an dem Schabernack, den Mozart mit der einfachen Melodie treibt, führte es der Pianist an der kurzen Leine.

Bei Beethovens D-Dur Sonate, der „Pastorale“, schien Brendels Konzept aufs erste Hinhören weniger aufzugehen. Hier hatte sein radikaler Subjektivismus einseitige Folgen: Die Kontraste in den Tempi waren aufs Nötigste zurückgeschraubt, der Klavierklang wattig, die Diktion – trotz himmlischer Stellen wie dem Übergang zur Reprise des ersten Satzes – ausufernd.

Mit größter Konzentration gestaltete der gefeierte Schubert-Interpret drei „Moments musicaux“ aus der Sammlung mit der Nummer D 780. Dem folgte das Publikum gespannt, für gedehnte Sekunden schien niemand das Atmen zu wagen.


 
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