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ernste musik

Musikverein: RSO Wien, Bertrand de Billy


Französische Valeurs ohne Verve und Wirkung

Raffinierte französische Musik und ein virtuoses, frankophiles Klarinetten-Konzert des deutschen Komponisten Manfred Trojahn dirigierte Bertrand de Billy im Wiener Musikverein.

An manchen Abenden mag auch im goldensten Konzertsaal der Welt keine rechte Stimmung aufkommen. Das Publikum reagierte auf Bertrand de Billys interessantes Programm so euphorisch, als hätte es einem Musikschulkonzert beigewohnt und gerade die siebente Czerny-Etüde über sich ergehen lassen müssen. Mochte die uninspirierte Routine-Arbeit der Damen und Herren des Radio-Symphonieorchesters Wien an diesem Abend das Publikum nicht recht entflammen? Oder spürte das Orchester, dass es quasi ins Leere spielte und tat deshalb nur das Nötigste?

Wie dem auch sei. Maurice Ravels „Alborada del gracioso“ wäre eigentlich ein flotter Auftakt gewesen. Das Schlagwerk ließ es auch aufdringlich krachen. Diese Plumpheit entsprach auch dem überraschend geringen Grad an klanglichem Raffinement, zu dem sich die Musiker aufraffen konnten. Gehört doch dieses Werk zu jenen, die Ravels Meisterschaft im Orchestrieren beweisen.

Nicht auf Raffinement, sondern auf klangliche Klarheit setzt Manfred Trojahn. Seine Rhapsodie für Klarinette und Orchester lässt die Klarinette ganz klassisch konzertieren. Der deutsche Komponist, der durch seine Literatur-Opern "Enrico" und "Was ihr wollt" bekannt geworden ist, möchte mit Korrespondenzen zu klassischem Vokabular „ein gewisses Maß an Verständlichkeit“ erreichen. Das gelingt ihm mit diesem Werk, das die Klarinette über weite Strecken über einem Streicherteppich konzertieren lässt. Weit gespannte Melodien und halsbrecherische Kaskaden dominieren. Solistin Sabine Meyer spielte souverän, mit samtweichem Timbre und sicheren Läufen. Dasselbe gilt für ihre sichere Interpretation von Claude Debussys „Première Phapsodie“.

Auch Albert Roussels Symphonie Nr. 4 hatte an diesem Abend nicht den erwartbaren Effekt. Die Mischung aus Selbstironie und Anmaßung, die Spannung zwischen feinen Valeurs und groben Klang-Klötzen, vielleicht geht das alles an heutigen Ohren vorbei. Das Orchester jedenfalls erwachte mit dem Hauptthema des ersten Satzes aus seinem komatösen Spiel, im überlangen „Lento“, das im Zentrum des Werkes steht, machte sich aber das Fehlen an geigerischer Substanz bemerkbar.


 
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Musikverein: RSO Wien, Bertrand de Billy


Ein Drittes aus E und U Mikrotonale Massage fürs Trommelfell

Mit dem Konzert des RSO Wien startete ein kleiner Fausto-Romitelli-Schwerpunkt bei Wien Modern, bei dem durchwegs Österreichische Erstaufführungen zu hören sind. Und Musik von starker körperlicher Präsenz und Wirkung.

Irgendetwas war anders im Musikverein. Schon die vielen Fahrräder vor Hansens historistischer Musicbox machten stutzig. Und erst das Publikum! Pullover statt Perlenketten. Die Billeteure als Hüter abendländischer Sitten schafften es gerade noch, die durch freie Platzwahl aufgehobene Hierarchie im Goldenen Saal wenigstens für die Direktionsloge zu wahren.

Nicht nur das Publikum, auch die Musik war ungewöhnlich für diese heil’ge Halle. Wien Modern goes Musikverein: Jörg Widmanns „Chor“ etwa hätte wohl ziemliche Unruhe ins Philharmonische Stammpublikum gebracht. Obwohl Widmanns Komposition über weite Strecken einstimmig ist! Der deutsche Komponist dehnt die Unisono-Klänge durch Verunreinigungen der Intonation bis knapp vors Bersten. Mikrotonale Massage fürs Trommelfell, ereignishaft unterbrochen von tonalen Blöcken. Ein Erlebnis, wie geschaffen für die Musikvereins-Akustik.

Benoît Merniers Stück „Intonazione“ war ein harmloser Einstieg in diesen spannenden Konzertabend (inklusive zweimaligem Einsatz von Mozarts großer g-Moll-Symphonie als Handy-Klingelton just während der verhauchenden Schlusstakte). Mit Fausto Romitellis „Dead City Radio“ wurde der Wien-Modern-Schwerpunkt für den im Juni 2004 verstorbenen italienischen Komponisten eingeläutet. „Dead City Radio“ jagt ein Zitat der Strauss’schen Alpensinfonie durch einen spannenden Bearbeitungsprozess, der die Sphären von E und (avancierter) U-Musik gleichermaßen einschließt. Wirkungsvoll auch der Einsatz außergewöhnlicher Instrumente: Megaphone (in die gehaucht und gelispelt wurde), Metronome (à la Ligeti) und eine jaulend krachende E-Gitarre. Selten glückt die Verbindung von E und U mit solcher Wirkung und Selbstverständlichkeit.

Luciano Berios „Stanze“ als Abschlussstück war fast zu fein ziseliert für bereits auf gröbere Keile und körperlich attackierende Klänge eingestellte Ohren. Die letzte große Komposition des im Vorjahr verstorbenen Meisters der vertrackten chromatischen Schichten konnte klanglich wenig überraschen. „Stanze“ umkreisen das Prinzip „Gott“ und wagen einen unsentimentalen Blick auf die letzten Dinge. Bariton Roman Trekel wirkte etwas verloren und vom orchestralen Stimmgewirr überdeckt, der Ungarische Rundfunkchor wirkte als sein musikalischer Schatten. Dem sicheren Dirigenten Bertrand de Billy und dem volltönenden RSO Wien gelangen an diesem Abend durchwegs eindrucksvolle Wiedergaben. Aufregend, in diesem Haus relevante neueste Musik zu hören.


 
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Konzerthaus: Ensemble Modern, Heinz Karl Gruber


Von der Schwierigkeit, Weill zu singen

Kurt Weills Klassiker „Die Dreigroschenoper“ war bei HK Gruber und dem Ensemble Modern in besten Händen. Die Gesangsinterpreten der konzertanten Aufführung gaben ein klanglich gar zu buntes Bild ab.

Wenn Heinz Karl Gruber Werke von Kurt Weill dirigiert, ist er in seinem Element. Im Konzerthaus war er mit Kurt Weills „Dreigroschenoper“ nicht nur als Dirigent des formidablen Ensemble Modern zu erleben, sondern auch als Interpret der Rolle des „Peachum“. Scharfzüngig und pointiert sprach und sang Gruber. Die übrigen Rollen waren höchst heterogen besetzt. Ideale Interpreten für die genreübergreifenden Weill-Songs sind eine seltene Spezies.

Den „Mackie Messer“ gab ein wunderbarer Bariton: Adrian Eröd. Nur singt er eigentlich zu gut für den gebrochenen brechtschen Sprachduktus und ist viel zu sympathisch für einen Gaunerchef wie Macheath. Sona MacDonald ist eine erfahrene „Polly“ und traf den rechten Ton (mit leichter Musical-Schlagseite). Eine weniger leichte Wagner-Schlagseite hat Hanna Schwarz. Bayreuth-Sound für die „Celia Peachum“ - eine zumindest interessante Variante. Ute Gfrerer war eine liebliche Jenny. Eine äußerst gelungene Parodie auf eine „große“ Arie gab sehr stimmvirtuos Winnie Böwe als „Lucy“. Der Chorus sine nomine bekäme, würden Fußballer-Bewertungs-Kriterien angelegt, eine Null: zu kurz eingesetzt.


 
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