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Uneitler Dienst am Komponisten


Konzerthaus: Maurizio Pollini spielte Werke von Frédéric Chopin

Ein kleines Pollini-Festival in Wien: Eine Woche, nachdem Maurizio Pollini mit den Wiener Philharmonikern Mozart musiziert hatte, widmete sich der Pianist im Konzerthaus den Nocturnes und Balladen von Chopin.

Nichts ist leichter, als mit Werken von Frédéric Chopin Erfolge zu feiern. Fragen Sie jeden fortgeschrittenen Klavierschüler. Chopin wirkt. Maurizio Pollini wählt nicht den einfachen Weg. Er spielt Chopin nicht wegen dem zu erwartenden Effekt: Virtuose Stellen dienen nicht der Selbstdarstellung, sondern der Intensivierung kompositorischer Aussagen. Zudem setzt Pollini Chopin nicht als Quotenbringer ein. Der Italiener vertreibt schon mal nach einem anstrengenden Sonatenabend einen Teil der Musikliebhaber mit einer Schönberg-Zugabe, um dann erst zum Leckerbissen zu kommen – einem Stück von Chopin. So geschehen bei einem Solo-Recital vor sieben Jahren im Wiener Musikverein.

Derartiges mussten Fans des Romantischen diesmal nicht auf sich nehmen. Der italienische Pianist spielte im Wiener Konzerthaus ein reines Chopin-Programm. Pollini kombinierte die kleinformatigen Nocturnes mit den vier erzählenden Balladen. Wie bei Mozarts Klavierkonzerten vor einer Woche formulierte der Musiker streng und kontrolliert. Die Begleitstimmen der Nocturnes, die andere Pianisten zum Verweilen verführen, spielte Pollini ohne sentimentale Verzögerungen, fast gerafft. Darüber schwebten die weit gespannten Melodien umso eindringlicher. Sie glitzerten und flirrten aus dem Steinway des Hauses Fabbrini obertonreich, gesanglich, aber nie larmoyant. Pollini erreichte mit Hilfe des una-corda-Pedals faszinierende Wechsel von Licht und Schatten, reihte vertrackte Verzierungen wie glänzende Perlenketten und präsentierte die dramatische H-Dur-Nocturne aus op. 9 als kleine Schwester der Revolutions-Etüde. Unnachahmlich, wie Pollini in den Nocturnes op. 37 und op. 48 die Extreme zwischen heroischem und ergreifend schlichtem Gestus auslotete.

Etwas viel Pedal erwischte der Pianist in der Fis-Dur-Nocturne aus op. 15. Da ging Klang vor Detail. Auch die Balladen Nr. 1 und Nr. 2. erweckten den Anschein, als ob Pollini hier zu mehr Prägnanz fähig gewesen wäre. Ein Eindruck, den er mit den Balladen Nr. 3 und Nr. 4 wegwischte. Einer perfekten As-Dur-Ballade folgte eine atemberaubende in f-moll. Die schwierigsten technischen Passagen meisterte der Meister überlegen, formte sie aus einem Guss und setzte sie in den Dienst der ausgefeilten kompositorischen Form. Im Durchführungsteil der letzten Ballade formulierte Pollini plastische Gegenstimmen und überwältigte durch ein gespenstisch spannungsgeladenes Innehalten in der mächtig aufbrausenden Coda. Mit einer bissigen Revolutions-Etüde als dritte Zugabe riss Pollini das Publikum schließlich zu Standing Ovations hin.


 
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Zemlinsky-Renaissance im historischen Ambiente


Ehrbar-Saal: Zemlinsky/Brahms-Zyklus des Prazak Quartett

Das internationale bekannte Prazak Quartett schloss seinen Zemlinsky/Brahms-Zyklus im historischen Ehrbar-Saal ab.

Das letzte Quartett von Alexander Zemlinsky hat eine bewegte Entstehungsgeschichte. Zemlinsky-Experte Antony Beaumont zeichnete in seiner Konzerteinführung im 1867 erbauten Ehrbar Saal ein Bild der Wiener Kultur vor dem Zusammenbruch: Alban Berg stirbt am Weihnachtsabend 1935, Zemlinsky schreibt mit seinem vierten Streichquartett einen Abgesang auf den großen Komponisten. Das Kolisch-Quartett spielt das Werk einmal im privaten Rahmen und flüchtet kurze Zeit später vor der kommenden Unkultur. Zemlinsky folgt ihnen 1938. Sein viertes Quartett wurde erst 1978 öffentlich uraufgeführt.

Beim 1972 in Prag gegründeten Prazak Quartett war die Komposition in besten Händen. Die Musiker, in den Ehrbar Saal eingeladen von der Stadtinitiative Wien, formten die heterogenen Charakteristika der sechs Sätze plastisch - vom Trauergeläut des ersten Abschnittes über die virtuose Burleske bis zur rüden Doppel-Fuge. Das Ensemble hat alles, was ein gutes Quartett braucht: einen charismatisch aufspielenden Primus, einen musikalischen zweiten Geiger, einen gewitzten, intonationssicheren Bratscher und einen Cellisten, der musikalische Impulse zu geben vermag. So zu hören im Fünften Satz, dessen vom Cello solistisch vorgetragene Einleitung Michal Kanka mit großer Geste zum Aufblühen brachte.

Die musikalische umsichtige Klangkraft des Streicherensembles traf im Klavierquintett von Johannes Brahms auf das ungestüme Feuer des jungen österreichischen Pianisten Christopher Hinterhuber. Flocht er den Klavierklang zunächst virtuos in das kontrapunktische Geflecht, ging mit ihm im letzten Satz das Temperament durch. Die orgelnden Bässe wirkten wuchtig, brachten jedoch das bis dahin aufrechte klangliche Gleichgewicht ins Wanken.


 
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Galante Pirouetten für die Galerie


Musikverein: Wiener Philharmoniker, Riccardo Muti

In Bestform präsentierten sich die Wiener Philharmoniker in ihrem achten Abo-Konzert der Saison. Am Pult: ein unbeschwert wirkender Riccardo Muti. Haydns bekannter „Paukenschlag“ erklang mit Handy-Begleitung.

Blitzblau war der Wiener Frühlingshimmel. Strahlend war auch die Interpretation der „Paukenschlag“-Symphonie von Joseph Haydn durch die Wiener Philharmoniker unter Riccardo Muti. Der italienische Dirigent und das Orchester verpassten der Symphonie eine blank polierte Oberfläche, mit somnambul leichten Ecksätzen und einem tänzelnden Menuett. Kurz: Die Philharmoniker „at their best“. Maestro Muti legte ein paar galante Pirouetten für die Galerie ein und für Momente stellte man sich die Frage, ob sich hinter der spiegelnden Oberfläche auch musikalische Tiefe verbirgt, oder ob sie nur der Selbstbespiegelung diente. Ein Gedanke, den man schnell wieder wegwischte ob der dargebotenen Perfektion. Die Musiker ließen sich auch nicht von einem hartnäckig läutenden Handy die fröhliche Stimmung verderben. Im Gegenteil. Muti reagierte auf das Läuten zwischen zwei Haydn-Sätzen großzügig und bat den Besitzer des Störenfrieds: „Answer!“

Einen symphonischen Koloss wuchteten die Musiker nach der Pause auf die Bühne des Musikvereins. Alexander Skrjabins Symphonie Nr. 3, „Le Divin Poème“. Das „Göttliche Gedicht“ stellt einen Wendepunkt in Skrjabins Werk dar: vom Chopin-Nachfolger zum Mystiker, der Musik und Philosophie verschmelzen will. Sein Ziel ist nichts Geringeres als die Befreiung des „durch eine personifizierte Gottheit versklavten Menschen“. Nietzsche und die Idee des Dionysischen lassen grüßen. Aus postmoderner Sicht kann man sich zurücklehnen und beobachten, wie sich die Musik Takt für Takt am „Göttlichen“ abarbeitet - und scheitern muss. Skrjabin zwingt hier die dreisätzige Entwicklung („Kämpfe“ – „Wollust“ – „Göttliches Spiel“) in ein Kontinuum, alles Geschehen ist aus einer „Leitgruppe“ entwickelt. Ein zweischneidiges Schwert: Einerseits ist das kompositorisch faszinierend, weil alles miteinander verschränkt scheint, andererseits kann dies beim Hören schnell langatmig wirken, weil damit das oftmalige Wiederholen des schon Gesagten verbunden ist. Die Musiker sorgten dafür, dass keine Langeweile aufkam: Die ekstatische Klangsprache Skrjabins war beim blendend disponierten Blech in besten Händen, die Streicher legten alles Gewicht in ihre Phrasen und das Holz gab dem Skrjabin-Sound eine irisierende Komponente. Jubel für die Philharmoniker und den unbeschwert wirkenden Riccardo Muti.


 
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