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ernste musik

Wien Modern V


Schöpfen aus der Stille

"Das jetzt hat schon aufgehört zu sein" heißt es in einem von Klaus Huber vertonten Text Max Benses. Zeit und Zeiterfahrung haben den Komponisten stets beschäftigt. Der Schweizer Klaus Huber und der erste eidgenössische Wiener Philharmoniker, Dieter Flury, standen im Mittelpunkt eines Wien-Modern-Konzertes im Brahms-Saal. Sie gaben nicht nur eine Lehrstunde im Fachgebiet "Zeit", sondern auch in Schweizer Musikgeschichte.

Dabei wurde Musik auf einem energetischen Niveau präsentiert, auf das man seine Hörerwartungen erst einmal herunterschrauben musste, um dann feinste Nuancen wahrzunehmen - wenn man denn die Geduld dazu aufbringen konnte. Die Zeit vergehen hören - das kann anstrengend sein.

Die ältesten Stücke kamen von Willy Burkhard (1900 bis 1955), dem Kompositionslehrer von Klaus Huber. Seine Werke orientieren sich noch am Deutlichsten an musikalischen Oberflächenformen. Burkhard bediente sich einer lyrisch-beredten Musiksprache mit der Melodie im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Sein Schüler Klaus Huber, Jahrgang 1924, war mit drei Stücken vertreten. "Ascensus" klang ruppiger, extremer und formal offener als die Musik seines Lehrers. Beiden Tonsetzern gemein ist jedoch das Schöpfen aus dem Schweigen und der Stille. Das wurde bei Hubers "Ein Hauch von Unzeit" besonders deutlich. Huber, selbst Lehrer von bekannten Komponisten wie Ferneyhough, Rihm, Jarrell und Hosokawa, gibt hier dem hörenden Bewusstsein wenige Anhaltspunkte: die "Unzeit", ein halbstündiges, leises, meditatives Zwiegespräch von Flöte und Sopran (Cornelia Horak). Musik ohne äußeren Glanz, voll innerer Ruhe.

Heinz Holligers Flötenstück "(t)air(e)" war eine passende Ergänzung. Zudem gab es dem virtuosen Flötisten Flury die Gelegenheit, die klanglichen Möglichkeiten seines Instruments zwischen Ein- und Ausatmen, Pfeifen, Summen und mehrstimmigem Überblasen darzulegen.

Die Instrumentalisten von Hubers "Auf die ruhige Nacht-Zeit" - neben Flury und Horak waren das Tobias Lea (Viola) und Tamás Varga (Cello) - waren in einer Rolle zu erleben, die ihnen als Wiener Philharmoniker allzu selten gewährt wird: Interpreten von Avantgarde-Musik des 20. Jahrhunderts zu sein. Schade, in Anbetracht dieses Konzerts, das ob seiner Eindringlichkeit länger nachgewirkt hat, als man das beim zeitintensiv-zähen Erleben für möglich gehalten hätte. <a href=www.wienerzeitung.at target=_new>wz


 
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ernste musik

wien modern IV


Kunst und Wahn

Auf radikale Grenzgänger und die Welten zwischen Kunst und Wahn nimmt Heinz Holliger in seinen Kompositionen Bezug. Dem Schweizer ist ein Schwerpunkt von Wien Modern gewidmet. Mit dem SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg präsentierte Holliger als Dirigent die österreichische Erstaufführung eigener Werke. Drei Künstler, die gegen Ende ihres Lebens als wahnsinnig eingestuft worden sind, haben Holliger zu den Kompositionen des Abends angeregt: Robert Schumann, Louis Soutter und Friedrich Hölderlin. Der Schweizer Soutter (1871 bis 1942) war Meisterschüler von Eugène Ysaye, ehe er sich der Malerei zuwandte und in die USA ausreiste. 1903 kehrte Soutter krank in die Schweiz zurück. In den folgenden Jahren war er Geiger in Symphonieorchestern, später in Stummfilmtheatern und Hotels und führte schließlich ein Leben als dandyhafter Vagabund. Holligers Violinkonzert "Hommage à Louis Soutter" ist keine Nacherzählung dieses Schicksals, sondern ein groß angelegtes Porträt von mentalen Zuständen. Musik, die auf die Katastrophe zusteuert. Holliger arbeitet mit feinsten Klangschattierungen und mutet dem Solisten einiges zu. Thomas Zehetmair meisterte alle Hürden mit Bravour. Während Holliger beim Violinkonzert (entstanden 1993 bis 1995 und 2002) Zitate ("Dies Irae", Ysaye) verarbeitet, arbeitet Holliger bei seinen "Gesängen der Frühe" (1987) mit einer Collage-Technik. Musik von Schumann wird mit Texten von (und über) Hölderlin und Schumann überlagert. Das klang streckenweise wie ein gut gemachtes Hörspiel. Das hervorragende SWR-Sinfonieorchester und das treffsichere SWR-Vokalensemble Stuttgart machten mit einer klanglich bis ins kleinste Detail ausgefeilten Interpretation auch dieses Stück zu einem Hör-Erlebnis. Den zwei Werken Holligers wurden Kompositionen, auf die sich diese beziehen, vorangestellt. Thomas Zehetmair spielte die Sonate-Ballade op. 27/3 von Ysaye sicher und eigenwillig. Auch der Pianist Christoph Berner war mit den "Fünf Gesängen der Frühe" von Robert Schumann mehr als ein Stichwortgeber. Berner, der sich seit langer Zeit für dieses Werk einsetzt, gestaltete die Stücke gesanglich und zauberte verborgenste Seelenregungen aus der Partitur. Zudem brachte er die gegenläufigen Stimmen als auch die zukunftsweisenden Brüche im Notentext dieses Œuvres zur Geltung. <a href=www.wienerzeitung.at target=_new>wz


 
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ernste musik

wien modern III


Fesselnd unergründlich

In bester Spiellaune präsentierte sich das Ensemble Kontrapunkte unter Peter Keuschnig im Rahmen von Wien Modern. Mit Elan stürzten sich die Musiker in die komplex geschichteten Stimmen von Georg Friedrich Haas' Werk "... aus freier Lust ... verbunden". Die Komposition, die ursprünglich unabhängige Stücke vereint, verliert sich für den Hörer jedoch über weite Strecken in Beliebigkeit. Mit "Incipit" wollte Johannes Maria Staud das Prinzip des ständigen Neubeginns umsetzten. Nachvollziehbare Entwicklung und Überraschung halten sich aufs Trefflichste die Waage, expressive Gesten der Instrumente dominieren. Staud vertraute auf die Posaune (gespielt von Uwe Dirksen) als Mittelpunkt des Ensembles - ein Instrument, das den Komponisten auf Grund der vielen Intonations-Möglichkeiten und Glissando-Varianten besonders fasziniert. Der Abend war auch Auftakt zum Heinz-Holliger-Schwerpunkt von Wien Modern. Die Sopranistin Christine Whittlesey und der Pianist Rainer Keuschnig brachten zwei stilistisch unterschiedliche Liederzyklen des Schweizers zu Gehör. Zunächst die "Sechs Lieder" aus den Jahren 1956/57, ein spätromantischer Widerhall auf Gedichte von Christian Morgenstern. Bei den "Dörflichen Motiven", vier Jahre später entstanden und 1994 revidiert, hat die Klavierbegleitung nicht illustrative Funktion wie bei den "Sechs Liedern", sondern bildet eine Ebene abstrakter Expressivität. Große Sprünge hatte Whittlesey zu meistern, und sie tat das meisterlich, wenn auch manche Töne sehr schroff im Raum stehen blieben und eine wohlgefärbte Schlussrundung zu verlangen schienen. Das kompositorische Highlight war zweifelsohne Wolfgang Rihms musikalisches Triptychon "Pol - Kolchis - Nucleus". Die kurzen Stücke sind fesselnd und unergründlich, reduziert auf das Wesentliche mit dem Effekt höchster Rührung - beeindruckend etwa, wie Rihm in "Kolchis" den Pizzicato-Tönen der drei Streicher durch leisen Nachhall in Klavier und Harfe komponierend nachhört. <a href=www.wienerzeitung.at target=_new>wz


 
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