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ernste musik

Musikalischer Dialog weiser Kammermusiker


Mozart-Saal: Alban Berg Quartett, Heinrich Schiff

Eine legendäre Kammermusik-Kollaboration erlebte im Wiener Konzerthaus eine Wiederaufnahme. Das Alban Berg Quartett und Heinrich Schiff spielten Schuberts Streichquintett.

Ihre Einspielung von Franz Schuberts Streichquintett D 956 ist legendär und gehört zum Besten, das auf Tonträgern erhältlich ist. Für das letzte Konzert ihres Konzerthaus-Zyklus lud das Alban Berg Quartett den Cellisten Heinrich Schiff, um mit ihm das Spätwerk des Meisters zu interpretieren. Bratschist Thomas Kakuska fehlte krankheitshalber, seine ehemalige Schülerin Isabel Charisius nahm den Platz ein.

Das ABQ und Schiff: ein eingespieltes Team, das sich wie blind versteht. Kein Wunder, dass Einspringerin Charisius angespannt wirkte. Jahrzehnte des Zusammenspiels kann man nicht substituieren. Musikalisch war sie jedoch – von kleinen Missverständnissen abgesehen – eine ebenbürtige Mitspielerin. Im Vergleich zur legendären Schallplatten-Einspielung haben die Musiker zu größerer rhythmischer Freiheit gefunden. Herrlich, wie Primus Günter Pichler im Adagio mit Heinrich Schiff in ein gelehrtes Zwiegespräch trat. Atemberaubend, wie der Geiger im selben Satz den Instrumentenklang mit dem des ABQ-Cellisten Valentin Erben verschmolz, musikalisch bis in die kleinste Faser deckungsgleich. Das ist unerreicht. Doch die neue Flexibilität hat auch negative Auswirkungen: Die technische Unfehlbarkeit, die früher ans Überirdische grenzte, ist dahin und bewegt sich nun in menschlichen Dimensionen.

Mit Gija Kantschelis „Night Prayers“ spielte das Quartett seine Meisterschaft in der Interpretation zeitgenössischer Musik aus. Die dunkle, nachdenkliche Komposition bezieht ihre Stärke aus der Konfrontation von Fortissimo- und Pianissimo-Blöcken einerseits und von der Gegenüberstellung von Unisono-Klängen und starken Dissonanzen andererseits. Darüber schwebt die leise flehende Stimmer der Ersten Violine. Das Alban Berg Quartett schuf bis zum wirkungsvollen Schluss einen Spannungsbogen von Energie und Stille. Kantscheli setzt ans Ende seines Quartetts einen überraschenden Dur-Akkord, der Ergriffenheit auslöste – auch dank der intensiven Interpretation, die an einen Abwesenden gerichtet schien.


 
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Zuckerbrot und Peitsche


Musikverein: Wiener Philharmoniker, Daniel Barenboim

Dank Daniel Barenboim und weil Pierre Boulez heuer seinen 80. Geburtstag gefeiert hat, durfte man die Wiener Philharmoniker als Interpreten zeitgenössischer Musik erleben. Und das war gut so.

Heiß-kalt gab Daniel Barenboim dem philharmonischen Publikum. Mit Musik von Pierre Boulez drang verhältnismäßig schräge Musik an die verwöhnten Musikvereins-Ohren. Mit anderen Worten: Endlich wieder ein Stückchen Gegenwart im Philharmoniker-Programm, geleitet vom Uraufführungs-Dirigenten. Und Barenboim verabreichte lindernden Balsam: Mit einem weit ausschwingenden Beethoven gab’s nach der Pause Zuckerbrot nach der Boulez-Peitsche. Aufreger war Boulez freilich keiner. Die „Notations“ für Orchester wurden höflich kopfschüttelnd aufgenommen, aber man hatte nicht das Gefühl, dass sie auf großes Verständnis gestoßen sind.

Von der Soziologie zur Qualität der Veranstaltung: Stark vereinfacht gesprochen heißen die musikalischen Väter von Pierre Boulez Webern und Debussy. Wenn man ihnen nun die Kategorien „Struktur“ und „Klang“ zuordnen will, so sind Barenboims Boulez-Interpretationen eindeutig am Klang orientiert, die Struktur-Komponente tritt in den Hintergrund. Die musikalischen Ereignisse vereinzeln nicht, Barenboim nimmt aber in Kauf, dass Details – im Gegensatz zu Boulez-Versionen anderer Dirigenten – verschwimmen. Ein Ansatz, der sowohl dem Orchester mit seinem spezifischen Klang als auch der gegebenen Akustik entgegen kam. Die Philharmoniker waren mit Ernst bei der Sache und Barenboim bedachte die Leistung seiner Musiker nach dem Verklingen der letzten Note mit einem deutlich vernehmbaren „bravo“. Nicht nur in der riesenhaften Orchesterbesetzung der „Notations“, auch in kleiner Formation widmete man sich mit Gewinn dem Schaffen von Boulez. Sechs junge Philharmoniker um den Solo-Cellisten Tamás Varga vertieften sich überzeugend in „Messagesquisse“ für sieben Violoncelli.

Nach der Pause durfte das Publikum aufatmen. Barenboim und die Philharmoniker brachten eine äußerst bekömmliche „Eroika“ zu Gehör, ernsthaft und breit. Auch hier war Barenboim weniger an Details interessiert denn an flächiger Entwicklung. Energie wurde nicht aus dem dialektischen Aufeinanderprallen kleiner Einheiten gewonnen, sondern durch das Überbetonen der Übergänge von einem musikalischen Großraum zum nächsten erkämpft.


 
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Symphonischer Wirrwarr mit Hindemith als Highlight


Musikverein: Wiener Symphoniker, Zimmermann, Sawallisch

Die Wiener Symphoniker spielten unter ihrem ehemaligen Chefdirigenten Wolfgang Sawallisch im Wiener Musikverein deutsche Orchesterliteratur. Als Solist brillierte Frank Peter Zimmermann.

Jeunesse hieß der Veranstalter. Jugendlich war an diesem Abend der Wiener Symphoniker nur das Publikum. Wolfgang Sawallisch, der verdienstvolle langjährige Chefdirigent des Orchesters, hat den Zenit seiner Karriere bereits überschritten. Die Zeichengebung des 1923 geborenen Maestros, unter dessen Ägide der Symphoniker-Zyklus im Musikverein eingeführt worden war, ist heute verschwommen und unvollständig. Die Orchestermusiker achteten erst gar nicht auf das wackelige Dirigat, sondern machten sich das Meiste unter sich aus. Dass das bei Stücken gut geht, die das Orchester „drauf“ hat, erwies sich bei Brahms’ Symphonie Nr. 2. Doch man war nicht ganz bei der Sache, manch einer ließ den Blick ins Publikum schweifen, um ihn nach Verklingen des letzten Tones für einen kurzen Moment auf der Armbanduhr ruhen zu lassen. Endlich vorbei.

Hans Pfitzners Ouvertüre der Bühnenmusik zu Heinrich von Kleists Schauspiel „Das Käthchen von Heilbronn“ ging hingegen kräftig daneben. Der Konzertmeister musste heftig rudern, um die Chose zusammen zu halten. Während Paul Hindemiths Konzert für Violine und Orchester lenkte ein grandioser Solist zum Wohle der Symphoniker alle Aufmerksamkeit auf sich: Frank Peter Zimmermann. Er war die einzige musikalische Attraktion des Abends. Und was für eine: Kräftige Doppelgriffe, perfekte und markige Bogentechnik, glutvoll-trauriges Spiel im langsamen Satz. Hier klang Hindemith nicht - wie so oft - hölzern, sondern in jeder Phrase musikalisch belebt.


 
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