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ernste musik

Die Wucht des „Dies Irae“


Musikverein: Akademischer Orchesterverein, Christian Birnbaum

Der Akademische Orchesterverein ließ es im Verein mit gleich drei Chören heftig krachen, Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“ bot dazu reichlich Gelegenheit.

Dezenz ist Schwäche, lautete das Motto eines gewissen Kurt Ostbahn. Das könnte auch für die Interpretation von Verdis Requiem durch den „Akademischen Orchesterverein in Wien“ gelten. Nicht professionelle Distanz, sondern ungekünstelte Begeisterung durfte der Zuhörer erleben. Während der großen Chor-Sequenzen („Dies Irae“) erbebte der Musikvereinsaal unter der Wucht der vielköpfigen Sängerschar. Die „natürlich“ klingenden Stimmen dreier Amateurchöre (Chorvereinigung Schola Cantorum, Consortium Musicum Alte Universität, Mödlinger Singakademie) entfalteten dank Masse und Präzision größten Reiz. Dirigent Christian Birnbaum entlockte dem Amateurorchester einiges an musikalischer und dynamischer Differenzierung. Naturgemäß klang nicht alles sauber, manches gar verschwommen. Aber stets war der große Einsatz der Musiker zu spüren. Denn es ging ja auch um eine gute Sache: Die Einnahmen des Konzerts werden Hospizdiensten der Caritas gestiftet. Für die Gesangssolos engagierte man Profis: Barbara Dobrzanska legte ihren strahlenden Sopran über das teilweise ruppige orchestrale Geschehen, Lorena Espina, Mezzo aus Argentinien, bewies südamerikanisches Carmen-Timbre. Keith Ikaia-Purdy kennt man von seinen Staatsopern-Auftritten: Ein verlässlicher Tenor mit Tendenz zum Verrutschen des Stimmsitzes und damit verbundener Verengung der Stimmfarbe. Walter Fink donnerte mit schwarz orgelndem Bass. Gesamteindruck: Überrumpelnd, wenn man mit Vorurteilen über das musikalische Dilettieren ins Konzert gekommen ist. Respekt!


 
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Zufälle gibt’s nicht


Musikverein: Wiener Symphoniker, Kent Nagano, Till Fellner

Die Wiener Symphoniker interpretierten unter dem renommierten Dirigenten Kent Nagano Werke von Webern und Wolf. Mit Till Fellner als Solisten erklangt Brahms’ zweites Klavierkonzert.

Anton Weberns filigrane „Sechs Orchesterstücke“ hatten es schwer am Anfang angesichts eines Publikums, das sich erst zurechtrücken und -husten musste. Auch wenn Webern bei Kent Nagano in besten Händen war. Hugo Wolfs Symphonische Dichtung „Penthesilea“ hatte es trotz Unbekanntheit leichter. Markig (Liszt lässt grüßen) und klanglich farbig (Berlioz lässt grüßen) ließ Nagano die Amazonen nach Troja reiten und sorgte für einen klaren Aufbau. Leider musste sich Nagano allzu oft den schwachen Zweiten Geigen widmen – der Achillesferse des Orchesters.

Till Fellner war der Solist bei Johannes Brahms’ Klavierkonzert Nr. 2 in B-Dur. Die Interpretation war geprägt von den typischen Fellner-Tugenden: jede Note ernst nehmen, nichts beiläufig spielen. Analysieren wir Till Fellner als Phänomen: Sein Klavierklang strahlt von innen – freilich ohne große Wärmeentwicklung. Das Projekt Till Fellner funktioniert als geschlossenes System. Nichts darf stören, schon gar kein Zufall. Spontan scheint an Fellners Interpretation nichts zu sein. Bei diesem einseitigen Kommunikationsmodell bleibt das Publikum draußen, und man darf sich nicht wundern, wenn es beim höflichen Applaus bleibt, auch wenn die Darbietung nach objektiven Kriterien hätte Jubel auslösen müssen. Denn kann man dieses Konzert besser spielen? Kaum. Kann man mit diesem Werk größere Begeisterung auslösen? Definitiv. Fellner hat alles fest im Griff, nur das Publikum nicht. Das lässt sich nicht planen. Inspiration scheint sich der Pianist aus der Aufführungssituation nicht zu holen. Der Auftritt als Aufgabe, die bestmöglich zu meistern ist. Da muss alles sitzen. Auch die Fliege, dessen waagrechte Ausrichtung die Hand nach dem ersten Verlassen der Bühne gewissenhaft prüft. Die immensen Schwierigkeiten, die Fellner mit Bravour meistert, sieht man ihm nicht an. Das Orchester darf folgen. Und das tut es unter Naganos Leitung perfekt und genau.

Majestätisch gelang Fellner der Aufbau des ersten Satzes. Man hörte auch im schnellsten Lauf jeden Ton, meinte die Partitur Note für Note vor sich zu sehen. Die Basslinien des zweiten Satzes meißelte Fellner wuchtig aus dem Steinway, nicht dröhnend, aber so massiv, dass er es mit dem ganzen Orchester locker aufnehmen konnte. Till Fellner, wie man ihn kennt: unerbittlich, vor allem gegen sich selbst.


 
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Packende Sakralmusik


Musikverein: Concentus Musicus, Schoenberg Chor, Harnoncourt

Mit Liturgischen Werken von Mozart und Haydn bewiesen der Concentus Musicus, der Arnold Schoenberg Chor und Nikolaus Harnoncourt aufs Neue, wie packend sie Meisterwerke der Wiener Klassik zum Leben erwecken können.

Weihevolle liturgische Klänge im Musikverein: Mitglieder der Choralschola der Wiener Hofburgkapelle machten mit Gregorianischen Gesängen den Goldenen Saal zum Sakralraum. Sie formten die akustische Folie, vor der Nikolaus Harnoncourt, sein Concentus Musicus und der Arnold Schoenberg Chor Mozarts „Vesperae solennes de confessore“ interpretierten. Der Officium-Spezialist Cornelius Pouderoijen leitete die Choralschola und sorgte nicht nur für einen stimmungsvollen Rahmen, sondern auch für ein kompositorisch reizvolles Gegenstück zu den klassischen Psalmvertonungen Mozarts.

Affektstrotzend dann die „Mariazellermesse“ des Meisters aller Meister, Joseph Haydn. Mit Kraft und großem Schwung verdeutlichte Harnoncourt sowohl die dramatische Anlage als auch die genialen Detaillösungen des Werkes. Der unvergleichliche Schoenberg Chor wuchtete ein aufrüttelndes Kyrie und ein strahlendes Gloria in den Saal, errichtete eine lückenlose Klangwand auf der Konzertbühne. Harnoncourt betonte in gewohnte Manier alles Bildliche: So hieb das Orchester beim „crucifixus“ harte Schläge. Das Sängerquartett – Ildikó Raimondi, Elisabeth von Magnus, Herbert Lippert, Anton Scharinger – überzeugte im „Benedictus“ mit ausbalanciertem Ensembleklang. Raimondi kämpfte zunächst hörbar mit Mozarts langen Phrasen, machte bei Haydn aber wieder alles gut. Tenor Herbert Lippert steuerte kräftige Soli bei. So packend kann Kirchenmusik sein!


 
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