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oper

Oper als eindringliches Theaterereignis


Wiener Festwochen: Philippe Boesmans „Julie“

Philippe Boesmans einaktige Oper „Julie“ feierte bei den Wiener Festwochen ihre österreichische Erstaufführung. Regisseur Luc Bondy führte sein Ensemble zu eindringlicher Bühnenpräsenz.

August Stindbergs „Fräulein Julie“ hat schon einige Komponisten zu Vertonungen animiert, zuletzt wurde im Wiener Semperdepot eine überzeugende Paraphrase von Gerhard Schedl in Szene gesetzt. Zusammen mit dem Festival d’Aix-en-Provence produzierten die Wiener Festwochen Philippe Boesmans „Julie“. Das Libretto steuerte Luc Bondy, gleichzeitig der Regisseur der Aufführung, im Verein mit Marie-Louise Bischofberger bei.

Bondy ist als Librettist nah an der dramatischen Vorlage geblieben und konnte als Regisseur mit einem überzeugenden Darsteller-Trio arbeiten. Neben Garry Magee als Hausbediensteter Jean hinterließen vor allem Malena Ernman als adelige Julie und Kerstin Avemo als Hausmädchen Kristin nicht nur stimmlich großen Eindruck, sondern auch darstellerisch. Dank Bondys subtiler Personenführung erreichte das Bühnengeschehen höchste Plausibilität und emotionale Wucht. Das sieht man auf Musiktheater-Bühnen selten.

Sind die Charaktere Strindbergs offen, vielschichtig und gegen die anti-feministischen Intentionen des Autors lesbar, gibt sich auch Boesmans Musik alles andere als verschlossen. In ihren stärksten Momenten vertieft die postmoderne Vielfalt der Partitur die Bühnencharaktere und öffnet – etwa während der Traumerzählung von Julie und Jean – bemerkenswerte Stimmungsräume.

Das Kammerorchester De Munt/La Monnaie unter Kazushi Ono setzte präzise die mannigfaltigen Klangfelder voneinander ab und bestach durch eine Vielfalt an Farben. Eine Vielfalt, die auch in der großen stilistischen Bandbreite von Boesmans Musik wirksam wird. Zuletzt bekommt das Publikum zu sehen, was bei Strindberg außerhalb des Bühnenraums geschieht: Der Selbstmord der gefallenen Julie, von einer Gesellschaft erzwungen, die das Verhalten von Männern und Frauen mit zweierlei Maß misst.


 
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oper

Ein Lehrstück im Fach Opernregie


Volksoper: Puccinis „Madama Butterfly“ unter Marc Piollet Stefan Herheims „Madama Butterfly“ an der Wiener Volksoper erregt noch immer die Gemüter. Dass diese Regiearbeit von größter Qualität ist, bewies die Inszenierung nach der Urfassung von 1904 auch in der jüngsten Wiederaufnahme.

Leere Zuschauersitze, Buhs nach dem Verklingen des letzten Akkordes: Beides hat sich Stefan Herheims Inszenierung von Puccinis Butterfly-Urfassung nicht verdient. Denn der Regisseur erzählt das rührselige Stück über die von ihrem amerikanischen Ehemann verlassene Cio-Cio-San virtuos und eindrucksvoll.

Herheims Butterfly ist eine Getriebene. Ihr Selbstmord scheint der einzige Ausweg aus dem engen gesellschaftlichen Korsett zu sein. Und da uns das Stück in der Volksoper auf mehreren Ebenen nahe gebracht wird, trägt auch das Publikum Schuld am Tod der Cio-Cio-San. Nicht nur im übertragenen Sinne: Der letzte Akt spielt in einem Puccini-Museum und als die Hauptfigur sich weigert, Harakiri zu begehen, legen die blutrünstigen Museumsbesucher selbst Hand an.

Dass das nicht zu einem billigen Gag wird, liegt am konzisen Konzept, das die Inszenierung zusammenhält und ihr Spannung verleiht. Herheim lässt das Drama auf mehreren Ebenen spielen: Als Spiel im Spiel, als Museumsstück, als Künstlerdrama – denn Puccini ist auch auf der Bühne. Ein Kunstgriff mit Folgen: Puccini (Josef Luftensteiner) führt die von Herheim präzise gezeichneten Figuren selbst ins Verderben, der Komponist ballt Musik und Fäuste zur emotionalen Unterstützung. Aus seinen Händen flattern glitzernde Konfetti zum orgiastischen Höhepunkt aus dem Orchestergraben.

Auch dort überzeugt diese Produktion. Noch-Volksopern-Musikdirektor Marc Piollet sorgt für Sicherheit, Sound und Stringenz im Orchestergraben. So hört man das Orchester nicht jeden Abend im Haus am Gürtel. Takako Massaro ist eine stimmkräftige Cio-Cio-San, deren stimmliche Differenzierung stark unter einem weiträumigen Dauervibrato und dem Mangel an weichen Piano-Abstufungen leidet. Wie man nicht nur mit Lautstärke, sondern auch musikalisch fesseln kann, führt die Mezzosopranistin Yanyu Guo als Butterflys Dienerin Suzuki vor. Mika Pohjonen ist als Pinkerton bemüht, seine Stimme klingt jedoch über weite Strecken flach und papieren. Aus dem sonst mittelmäßigen Ensemble ragen Morten Frank Larsen als Sharpless und der Rollendebütant Sorin Coliban als Onkel Bonze heraus.

Wie Puccini mit dem Scheitern der Liebe die Liebe erst recht sichtbar macht, so hat Herheim den Bühnentod der Cio-Cio-San erträglich gemacht, indem er ihn in seiner Unerträglichkeit bloßstellt. Die Buh-Rufer fühlten sich wohl um den wohligen Schauer betrogen, den der Tod Cio-Cio-Sans ihnen über den Rücken hätte jagen sollen.


 
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Auf des Erlösers holder Spur


Staatsoper/Osterklang: „Parsifal“ unter Peter Schneider

Mit Thomas Quasthoff in der Rolle des Amfortas sorgte die Parsifal-Inszenierung von Christine Mielitz an der Wiener Staatsoper für Aufsehen. Im Rahmen des „Osterklang“-Festivals sang nun Falk Struckmann diese Rolle.

Die Inszenierung von Christine Mielitz ist bereits in die Staatsopern-Geschichte eingegangen, auch weil sie zwei prominente Debüts möglich machte: Jenes von Thomas Quasthoff und das von Simon Rattle. Jetzt geht sie den Weg des Irdischen, nämlich den ins Repertoire. Und erodiert. Die Bewegungen des Chores werden ungenau und unbestimmt, Knappen stolpern über Schwerter und man meint zu spüren, wie sehr diese Inszenierung auf den Amfortas des Thomas Quasthoff zugeschnitten war. Stimmlich bot der „neue“ Amfortas Falk Struckmann in der „Osterklang“-Vorstellung am Vorabend des Karfreitag eine überragende Leistung. Das Erz in der Stimme, das manche Kritiker beim lyrischeren Thomas Quasthoff vermisst hatten, bot nun der geeichte Wagner-Sänger, der mit unheimlicher Stimmpräsenz sich als Idealbesetzung erwies.

Mielitz verzichtet in ihrer Arbeit für die Staatsoper gänzlich auf pseudochristliche Ikonografie. Die Hauptpersonen rücken, aus der Menge gerissen, stark in den Vordergrund. Erst nach und nach erschließt sich, wohin Mielitz ihren Parsifal, der außerhalb von Gesellschaft und Normen aufgewachsen ist, hinschubsen will. Da sind zerbombte Mauern, die die Bühne abschließen, rasch wechselnde Prospekte, mehrmals grelles Licht ins Publikum. Zur Gralsenthüllung im Saal der Gralsburg verschieben sich die Wände und die Ritterschaft hebt UFO-gleich auf einem Bühnenelement ab, darunter kommen Kinder zum Vorschein, die wie ausgezehrte Flüchtlinge aussehen. Klingsohr ist eine schillernde Zuhälter-Figur, unter den schwarzen Kitteln der Blumenmädchen verbergen sich samtrote, gewagte Abendkleider. In diese Endzeitstimmung setzt Mielitz ihren naiven Parsifal, der durch Anschauung und Mitleid sehend wird. Die Ritter der Gralsburg kriechen im letzten Bild wie ermattete Kriegsgefangene herum. Die Erlösung erfolgt, doch haftet ihr etwas Ernüchtertes an. Der Gral zerbricht. Und Kundry hat sich auch optisch – mit hellem Hemd und Hose – von der düsteren Grals-Gemeinschaft emanzipiert.

Am intensivsten wirkte an diesem Abend der zweite Akt, der zeigte, wo „Schrecklichster Triebe Höllendrang“ endet. Zerstörung und Krieg werden nicht, wie es Wagner verlangt, mit vertrockneten Blumen, sondern mit Bildern echter Verwüstung verdeutlicht. Packende Spannung, auch aus dem Orchestergraben, führten zu „der Liebe erster Kuss“, der Parsifal so nachhaltig „welthellsichtig“ macht – und das zwischen Kundrys Schenkeln. Rollendebütantin Mihoko Fujimura hatte hier als Kundry großartige Momente. Torsten Kerl war als Parsifal bemüht, konnte aber an Durchschlagskraft mit seinen Kollegen nicht mithalten, denn auch Wolfgang Bankl war als Klingsor eindringlich unsympathisch. Das Orchester bot unter Peter Schneider im ersten Akt verwackelte Einsätze und plattes Blechgedröhn, steigerte sich im zweiten Akt zu großer Intensität und versprühte schließlich feinen Karfreitags-Klangzauber.


 
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