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theater

Vindobona: Dolores Schmidingers "Die Queraussteigerin"


Das Heil liegt in der Provinz

Stützstrümpfe werden sexy und Marienerscheinungen vorgetäuscht. Wallfahrt statt Romantik-Hotel, Loden statt String-Tanga: Dolores Schmidinger ist in ihrem neuen Programm „Die Queraussteigerin“ Werteverschiebungen auf der Spur. Und dem Mief. Dazu entwirft Schmidinger in wechselnden Rollen eine Kleinstadt-Gesellschaft: Großhinterleitenstetten. Der Hund des sozialdemokratischen Gemeinderats heißt Kreisky, der Hauptplatz Leopold Figl und der sich als christlichsozial definierende Bürgermeister lässt die Bettler von der Straße verbannen.

Schmidinger blickt hinter die Fassade der sehr österreichischen neokonservativen Idylle. Im Mittelpunkt steht die Bürgermeister-Ehefrau Ingeborg. Um sich an ihrem Mann zu rächen, wird sie, das ist die eigentliche Pointe des Abends, als „Queraussteigerin“ zur Wohltäterin.

Und das geht, dramaturgisch manchmal etwas übers Knie gebrochen, so: Der schwarze Bürgermeister betreibt einen Dessous-Laden. Doch das Sexualleben der Eheleute ist „so langweilig wie die Space Night auf Bayern 3“, wie Ingeborg verzweifelt zugibt. Selbst in den neusten Dessous-Kreationen kann sie ihren Mann nicht mehr reizen.

Denn dem Bürgermeister gelüstet es nach Bodenständigem. In der Kleinhinterleitenstettnerin Walpurga, einer Volksschullehrin mit Strickjacke und tomatenrotem Filzhut, findet er sein neues Frauen-Ideal. Nun geht es nicht, wie es die gehörnte Eherfrau geplant hatte, ins Romantikhotel, sondern auf eine Wallfahrt. Und nach katholischer Scheidung mit Papst-Sanctus wird geheiratet. Wie es sich gehört. Ingeborg rächt sich schließlich, indem sie die vertriebenen Bettler als kakophonisch quäkende Musiker zurückholt - und reichlich entlohnt.

Der Kabarettistin geht es nicht um den derben politischen tagesaktuellen Schmäh. Schmidinger registriert Veränderungen des gesellschaftlichen Grund-Konsenses. An ihrer Seite werkt Bernhard van Ham geschickt an allen möglichen Tasteninstrumenten. Ein leichtfüßiger Abend, auch Dank der Ärzte des SMZ Ost, bei denen sich Schmidinger, seit zweieinhalb Monaten mit einem neuen Hüftgelenk ausgestattet, nach der Vorstellung bedankte.


 
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theater

rock'n'roll!


donnerstag eröffnung der schaubühne, inszenierte lesungen. alle rennen mit textbuch rum, aber sie spielen auch und das sehr slapstickhaft. ein wunderbarer abend. die baracke is back. einfach raus mit der sau. natürlich war das kein gestochen scharfes equibrilistentheater. aber das hätten die stücktexte (es waren zwei stücke) auch nicht hergegeben. die handlungen spielen im einfachen arbeitslosen und polizisten milieu und sind dialogisch recht einfach gestrickt, vielleicht kann man das hardsoaps nennen. jedenfalls wäre sowohl eine konzertante lesung am tischchen als auch eine durchinszenierte aufführung sicher recht langweilig gewesen. aber so war das enorm komisch. die schauspieler spielten mit den größten bewegungen und moduliertesten, schnellsten stimmen und sprangen durch das eingerichtete hotelzimmer und mussten sich glechzeitig im textbuch in der zeile halten. vieles ging kaputt, felix römer hat sich sogar die stirne aufgeschlagen und geblutet, dass es nur so spritzte. also: rock'n'roll! (und das mag ich ja. meine stimme: für effekthascherei!!)


 
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theater

wo es sich noch provozieren lässt


hatte es nicht für möglich gehalten, dass sich noch irgendwo ein zahlendes publikum so einfach provozieren lässt. es greift sich auf der bühne einer in die hose und ein raunen geht durch das publikum des salzburger landestheaters. es gab thalheimers woyzeck und es war gut so. sein büchner ist nicht mal eine frage des geschmacks. eine inszenierung so scharf wie ein rasiermesser. allerpräzisest. jede bewegung genau geschliffen, die worte woyzecks schneiden durch fleisch wie durch weiche butter. dem hauptmann und dem doktor zieht woyzeck einfach sein rasiermesser druch den hals. so im vorbeigehen. und die marie wird zu battistis e penso a te dazu überredet, doch endlich zu sterben.

ganz, ganz, ganz starkes theater.


 
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