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Friday, 11. March 2005

ernste musik

Menschlich und doch ohne Makel


Musikverein: Thomas Quasthoff, Freiburger Barockorchester

Ein reines Mozart-Programm spielte das Freiburger Barockorchester im Wiener Musikverein. Gesangssolist war der bedeutendste Bassbariton unserer Zeit: Thomas Quasthoff.

Humor und Ernsthaftigkeit, Spontaneität und Kompromisslosigkeit, stimmliche Perfektion und natürliche Bühnenpräsenz. Man muss schon in vermeintlichen Gegensatzpaaren denken, um dem Phänomen Thomas Quasthoff gerecht zu werden. In jeder Note ist zu hören, dass Quasthoff die bestmögliche Bewältigung musikalischer Aufgaben nicht genügt. Denn die ist erst die Grundlage seiner Kunst. Es geht um mehr. Es geht um die Aussage der Musik.

Beim zweiten Abend seines Musikvereins-Zyklus brachte Quasthoff das Freiburger Barockorchester mit, um Arien von Mozart zu singen, nein, zu leben. Der Bassbariton hatte offensichtlich größte Freude am frivolen Humor der Register-Arie aus „Don Giovanni“. Lichte Höhen erklomm der Sänger scheinbar unangestrengt in „Mentre ti lascio, o figlia“. Größte Klarheit zeichnete Quasthoffs Gesangeskunst aus. Technisch ohne Makel, passierte ihm kein gepresster Ton, alles klang offen und frei schwingend, über alle Register und musikalische Hürden.

Das Freiburger Barockorchester spielte unter der Leitung von Gottfried von der Goltz. Der Geiger dirigierte das Ensemble vom Konzertmeister-Pult aus. Das ist mit Risiken verbunden. Stellen wie der Anfang des dritten Satzes der „Pariser Symphonie“ – schnelle Figuren der zweiten Geigen, zu der die ersten Geigen synkopische Akzente setzen – hätten auch ins Auge gehen können. Das Risiko wurde belohnt. Deutliche dynamische Akzentuierungen und starke Kontraste gaben der „Pariser Symphonie“ Profil. Die Ersten Geigen klangen nie dominant, das Orchester wirkte lebendig wie ein Streichquartett, wo alle Musiker in jedem Moment mitdenken müssen. Mozart einmal nicht lieblich, sondern wild; ungezähmt, aber präzise.

Eine besonders schwere Aufgabe wartete auf den Solo-Bassisten des Orchesters in der Konzertarie für Bass, obligaten Kontrabass und Orchester „Per questa bella mano“. Quasthoff hatte eine Erklärung für den heiklen Part parat. Mozart habe, so Quasthoff zum Publikum, dem damaligen Kontrabassisten etwas zu Fleiß machen wollen, weil dieser ein Auge auf Mozarts Frau geworfen hätte. Mozarts Gedanken in Quasthoffs Worten: „Dem geb i wos zum oabeitn.“

Als Zugabe sang Quasthoff „In diesen Heil’gen Hallen“. Nicht, wie so oft zu hören, weihevoll weltfremd georgelt. In sonorer Tiefe gelang ihm eine menschlich berührende Textdeutung. Für eine bessere Welt. „Weil man dem Feind vergibt.“


 
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Monday, 21. February 2005

ernste musik

Liebe und Tod bei Prokofjew, Berg und Wagner


Musikverein: Wiener Philharmoniker, Christine Schäfer, Daniele Gatti

Nach der verheißungsvollen Premiere Daniel Hardings am Pult der Wiener Philharmoniker vor zwei Monaten fand nun ein weiteres wichtiges Debüt bei den philharmonischen Abonnementkonzerten statt.

Die Wiener Philharmoniker scheuen bei Debüts das Risiko. Der Mailänder Daniele Gatti hat schon die großen Orchester dieser Welt dirigiert und dafür von den Kritikern höchstes Lob geerntet. 2002 war er an der Wiener Staatsoper erfolgreich. Nun wurde er in den erlauchten Kreis der Abonnement-Dirigenten aufgenommen. Mit einer musikalischen Melange, die auch außermusikalische Vorbilder hat.

In Baz Luhrmanns Hollywood-Film „Romeo + Juliet“ sterben Leonardo DiCaprio und Claire Danes zu Wagners „Liebestod“ aus „Tristan und Isolde“. Das macht großen Effekt und liegt auch thematisch auf der Hand. Maestro Gatti spannte für sein Debüt ebenfalls „Tristan und Isolde“ mit „Romeo und Julia“ zusammen. Letzteres Werk in der Version von Sergej Prokofjew. Mit den Auszüge aus den Ballettsuiten „Romeo und Julia“ vollbrachte Gatti das Kunststück, innere Zusammenhänge transparent zu machen und aus der thematischen Konfrontation Kraft zu schöpfen, klanglich große Spannung aufzubauen, die nicht zu früh verpuffte.

Das Spannungsfeld von Liebe und Tod wurde an diesem Abend in allen Details ausgeleuchtet. Bei Alban Bergs Lulu-Suite gelang es Gatti, grazile, tänzerische Leichtigkeit mit Intensität und aufrechter Emotionalität zu verbinden. Mit dieser genialen Musik führte der Dirigent das Orchester auch zu höchster klanglicher Grazie. Dem hohen Niveau ebenbürtig erwies sich die Sopranistin Christine Schäfer. Nicht nur mit Berg verzauberte Schäfer das Publikum. Schon beim „Ave Maria“ aus Verdis „Otello“, das man zum Gedenken an den verstorbenen Dirigenten Marcello Viotti an den Beginn des Konzertes stellte, schien Schäfers Stimme alle irdischen Fesseln abgestreift zu haben.

Wie Daniele Gatti mit wenigen Bewegungen der Takthand größte Intimität erzeugen kann, bewies er mit der Interpretation von Wagners Vorspiel und Liebestod aus „Tristan und Isolde“. Gatti ließ den Klang des Orchesters langsam und aus dem Nichts kommend aufblühen, dann über sich hinaus wachsen, bis er losgelöst von seinem physikalischen Entstehen schien. Kurz, das, was man als den unnachahmlichen Klang der Wiener Philharmoniker rühmt, vermochte Gatti zu formen. Auf diese Qualität bauend wagte sich der Dirigent an einen langsamen Aufbau des „Liebestods“. Bedächtig, aber mit großer Spannung schraubte sich die Musik empor, die einzelnen Stimmen des Klanggewebes ließ Gatti genau artikulieren. Ein in allen Belangen überzeugendes Debüt.


 
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ernste musik

Musikalischer Smalltalk


Konzerthaus: RSO Wien, Colin Currie, Yutaka Sado

Amerikanische Klänge entlockte der japanische Dirigent und Bernstein-Schüler Yutaka Sado dem RSO Wien. Das Ergebnis machte einen höchst unverbindlichen Eindruck.

Dirigent Yukata Sado ist ein Mann der Politur: Der Japaner sorgte vom Pult des Radio-Symphonieorchesters Wien aus mit eleganten, aber unverbindlichen Bewegungen für eine blitzende musikalische Oberfläche. Das klangflexible Orchester folgte ihm behände und glänzte mit Sados Lackschuhen um die Wette. Die „Three Dance Episodes“ aus dem Musical „On the Town“ seines Mentors Leonard Bernstein brachte Sado auf den Punkt, die Bläser des Orchesters durften jazzig swingen. Doch der musikalisch oberflächliche Schein blieb nicht lange gewahrt. Musikalische Tiefe erreichte man an diesem Abend nicht. Schon gar nicht mit Michael Torkes Konzert für Schlagwerk und Orchester mit dem Namen „rapture“. Nichts weniger als die „hauchdünne Scheidelinie“ zwischen „religiöser und sexueller Verzückung“ wollte Torke mit dem Werk reflektieren. Ekstatische Wirkung evozierte „rapture“ aber nicht. Der virtuose Solist Colin Currie hatte sich in langatmigem, postminimalistischem Parlando zu ergehen. Der Komponist, der in seinem Curriculum Vitae den Auftrag für eine „Disney Millennium Symphony“ anführen kann, fesselt das Orchester rhythmisch an das quirlige Schlagwerk. Die Orchesterinstrumente legen einen Klangfarben-Mantel um den Solisten, der im konkreten Fall nicht immer präzise saß. Zu intensiver Aussage gelangte das Stück nie. Musikalischer Smalltalk, wenn man so will.

Auf äußeren Effekt bauend und gut gearbeitet klangen Auszüge aus Prokofjews ersten beiden „Romeo und Julia“-Suiten. Den Stücken fehlte aber bei aller Eleganz die stringente Ordnung der Details unter einer Sinn gebenden Spannungskurve. Unverständlich auch, wieso der Dirigent nicht versuchte, den Nummern der Suiten Zusammenhalt zu verleihen und das Orchester zwischen den Stücken umständlich in verschiedenen Notenbänden blätterte.


 
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