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Wednesday, 26. January 2005

ernste musik

Konzerthaus: Rudolf Buchbinder


Auf der Suche nach der verkappten Sonate

Rudolf Buchbinder spielte Spätwerke von Franz Schubert. Dabei erwies sich der Pianist, der für Viele als Ambassador des wienerischen Musizierens gilt, nicht als idealer Schubert-Interpret.

Mit großem Ton hob Rudolf Buchbinder seinen Schubert-Abend im Konzerthaus an, als wolle er zeigen, dass in den vier Impromptus D 935 eine Sonate schlummert. Offensichtlich wollte Buchbinder die Sätze dramaturgisch zusammenhalten. Das hat viel für sich, das Vorhaben wurde ihm jedoch nicht nur durch störende Zwischensatz-Huster verübelt. Zum strengen Maß, das er zunächst anlegte, gesellte sich bald ein liedhafter Duktus. Der eingeschlagene Weg schien Buchbinder unter den Fingern zu zerbröseln. Der Pianist nahm sich interpretatorische Freiheiten, die weder musikalisch noch historisch begründet wirkten. Sentimentales Gemurmel, huschende Skalen und vernebelte Begleitfiguren mochten im Moment Effekt machen, gingen aber an der Substanz des Werks vorbei.

Im As-Dur-Impromtu strich Buchbinder rhythmisch aufdringlich das Wienerische heraus. Das Folgende in B-Dur vertiefte den Eindruck des Zerrissenen. Das Binnentempo gestaltete Buchbinder so unstet, dass einem ganz seekrank werden konnte von all den Wellen. Nicht freies Fließen, sondern unvermutetes Eilen und Hetzen bis zum nächsten unvermittelten Ritardando dominierte die heiklen Begleitfiguren. Dann ging mit Buchbinder wieder die Virtuosität durch, wurden Läufe ihrer musikalischen Funktion enthoben und zu sinnentleerten Tonleitern, als hieße der Komponist nicht Schubert, sondern Herz oder Cramer.

Dass Buchbinder gern ohne erkennbaren dramaturgischen Zusammenhang innerhalb einer Phrase die Aufmerksamkeit zwischen den Stimmen wechselt, trübte auch seine Interpretation der B-Dur-Sonate D 960. Dynamisch pendelte der Klang zwischen einem wattigen Mezzopiano und einem harten Fortissimo, was für Bruckner-artige Block-Effekte sorgte. Der letzte Satz verlor sich in kleinteiligem Geplänkel, manche Phrasierung schien gegen die natürliche Entwicklung des Stücks gesetzt. Die Coda, ob ihrer Qualität schon immer Gegenstand heftiger Diskussionen, warf Buchbinder hin, als wolle er beweisen: Dies ist nur ein Verlegenheits-Schluss. Irgendwie muss man ja aufhören.


 
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oper

Junge Stimmen und alte Musik


Konzerthaus: Eröffnungskonzert der „Resonanzen“ mit Scarlatti-Oratorium

Die heurigen Resonanzen stehen unter dem Motto „Metropolen“. In seine angestammten Gefilde entführte das souveräne „Concerto Italiano“ unter Rinaldo Alessandrini.

Das Resonanzen-Publikum war schon immer eine konzentriert lauschende und höchst interessierte Hörerschaft. Am ersten Festival-Tag bekam es alles, was das Herz des Alte-Musik-Fans begehrt. Junge, erfreuliche Stimmen, ein höchst kompetentes Ensemble und ein Werk, das mit großen kantablen Melodien und überraschenden harmonischen Wendungen aufwarten kann: „La Vergine dei Dolori“, komponiert von Alessandro Scarlatti. Der Vater des Cembalo-Virtuosen Domenico steht heute etwas im Schatten jener Opern- und Vokalwerke, die zur selben Zeit in Paris und London entstanden waren. Im Konzerthaus viel erhellendes Licht auf das interessante Oratorium des gebürtigen Sizilianers.

Scarlattis „Metropolen“ – und hier wären wir beim gleichnamigen Motto der Resonanzen – waren Neapel und Rom. In Neapel dominierte er für zwei Jahrzehnte das Operngeschehen, in Rom führte er das Oratorium und die Kantate zu kompositorischer Blüte.

Das wahrscheinlich 1717 entstandene Oratorium „La Vergine dei Dolori“ brachte dem Publikum im Konzerthaus höchsten Genuss am schönen Schmerz. Das Libretto zeigt die Passion Christi aus dem Blickwinkel der leidenden Mutter. Textmaterial, das Scarlatti in hochemotionale, affektgeladene Musik umsetzte: Strahlende Trompeten-Klänge, harmonisch heftige Accompagnato-Rezitative, herzerweichende Lamenti, weit gespannte Melodien, im sinnlichen Dialog mit den Instrumentalstimmen oder dem vokalen Duett-Partner.

Für italienische Barockmusik ist Rinaldo Alessandrinis Barockensemble „Concerto Italiano“ eine Erste Adresse. So durfte man aufmerksam den Musikern lauschen, die temperamentvoll und mit feinem Klangsinn alle Extreme der Partitur ausloteten. Altistin Sonia Prina zeigte als Maria große Gesangskunst, führte ihre Stimme unangestrengt sowohl expressiv als auch instrumental und gestaltete ihre Partie mittels eines atemberaubend kontrollierten Piano-Spektrums. Ebenbürtig klang Roberta Invernizzis straffer Sopran, der sich in den Ensembles musikalisch sensibel einzugliedern wusste. Romina Basso führte ihre Mezzosopran-Stimme in den Höhen leicht und locker, in der Tiefe klang sie jedoch leicht angestrengt. Etwas mehr tenorale Durchschlagskraft hätte man dem sonst sauber singenden Luca Dordolo gewünscht.


 
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Monday, 17. January 2005

ernste musik

Duftig aufblühende Kantilenen


Musikverein: Wiener Symphoniker, Georges Prêtre

Unter Georges Prêtre präsentierten sich die Wiener Symphoniker in Bestform. Der französische Dirigent animierte das Orchester zu Höchstleistungen. Ein beeindruckendes Konzert mit Ravels „Bolero“ als Höhepunkt.

Mit Bahms’ Tragischer Ouvertüre und einer Schweigeminute begann das dritte Konzert im Symphoniker-Zyklus des Musikvereins. Man gedachte damit des am 29. Dezember verstorbenen Horst Haschek, der langjähriger Präsident und Ehrenpräsident der Gesellschaft der Musikfreunde war.

Was danach folgte, war ein beglückender Konzertabend. Georges Prêtre holte das Beste aus dem Orchester, ganz ohne Gewalt und Zwang: Er diktierte nicht, sondern machte die Musiker wollen. Er stellte sich nicht nur in den Dienst der Musik, sondern ganz in den Dienst der Musiker. Als weiser Mediator und mit ökonomischer Zeichengebung vermittelte Prêtre den Mitmusikern erfolgreich: Horch, wie wunderschön deine Kollegin und dein Kollege spielt.

So erklang Brahms’ Vierte Symphonie in einer farbenreichen, musikalisch ungemein wirkungsvollen Darstellung. Das Orchester bewies rhythmische Kraft und überzeugte vor allem durch wunderbar musizierte lyrische Momente. Dadurch gelang eine Interpretation von wahrhaftiger Tiefe, die allen Aspekten des Werkes gerecht wurde. Paradigmatisch dafür stand das Flötensolo im letzten Satz. Zu Recht forderte Prêtre das Publikum nach Ende des Stückes gestenreich zum Extra-Applaus für den Solo-Flötisten Robert Wolf auf. Strawinskys „Feuervogel“-Suite war in den Händen der Musiker mehr als eine effektvolle Ballettmusik; den Symphonikern gelangen mit klanglichem Raffinement plastische Charakterzeichnungen.

Prêtres „Bolero“-Interpretationen eilt der Ruf des Legendären voraus und so durfte man sich für das Abschlussstück Außergewöhnliches erhoffen. Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Prêtre animierte die Bläser zu ausdrucksstarken Soli, gab ihnen alle Freiheiten. Die Abwärtsbewegung der bekannten Melodie ließ der Dirigent mit insistierender Tempo-Verzögerung spielen, eine wirkungsvolle, ungemein sinnliche Variante. Zudem hielt Prêtre die Streicher bei Laune, die in Ravels Klassiker lange Zeit nur zupfen dürfen, und bekam dafür beim ersten „gestrichenen“ Einsatz der Ersten Geigen eine duftend aufblühende Kantilene geschenkt. Der berühmte Höhepunkt des „Bolero“ führte zu einer regelrechten Explosion der Orchesterfarben. Ein Ereignis.


 
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