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Monday, 14. June 2004

ernste musik

Festwochen: Wiener Symphoniker, Fedosejev


Risikoloses Requiem mit geglätteter Phrasierung

Antonin Dvoraks „Requiem“ war im Rahmen der Wiener Festwochen mit einem überzeugenden Sängerquartett zu hören. Vladimir Fedosejevs Interpretation sorgte hingegen für wenig Spannung.

Nachdem Nikolaus Harnoncourt und die Wiener Philharmoniker im Musikverein Bruckners Fünfte mit plastischer und fast schon überdeutlicher Klang-Sprache modelliert hatten, musste man am selben Ort beim Festwochen-Konzert der Wiener Symphoniker unter Vladimir Fedosejev seine Hörerwartung schnell umstellen. Denn Fedosejev ging am selben Wochenende mit einem völlig anderen Interpretationsideal ans Werk. Der Vorstellung eines kompakten Klang-Kontinuums verpflichtet, erklang Antonins Dvoraks „Requiem“ in geglätteter Phrasierung. Obwohl die Symphoniker sich gut disponiert präsentierten: Die Partitur hätte durchwegs beherztere Detaillösungen mit ausgeprägterer Dynamik vertragen. So wurde das vom Komponisten versöhnlich angelegte Werk nicht zum „Reißer“. Das Publikum spendete freundlich-lauen Applaus.

Unter den vier Gesangssolisten, die sich mehr Zustimmung verdient hätten, waren zwei Gewinner des Belvedere-Wettbewerbs: Die in Wien lebende Sopranistin Marina Mescheriakova und der armenische Bassist Arutjun Kotchinian. Mescheriakovas runder, slawisch gefärbter Sopran und Kotchinians tiefenstarker, fast lyrisch geführter Bass erfüllten Dvoraks innige Melodien mit Leben. Die deutsche Altistin Birgit Remmert überzeugte mit großer musikalischer Intensität und stimmlicher Sicherheit. Nur Zoran Todorovich, Tenor aus Belgrad, tanzte mit leichter Italanità aus der Reihe. Der Wiener Singverein rundete das erfreuliche vokale Gesamtbild dieser sonst matten Interpretation ab.


 
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Friday, 11. June 2004

oper

Festwochen: Friedrich Cerhas "Der Rattenfänger"


Die Rückkehr des Rattenfängers

Seit der Uraufführung beim steirischen herbst 1987 uraufgeführt und der Übernahme dieser Produktion durch die Wiener Staatsoper war Friedrich Cerhas "Der Rattenfänger" auf keiner Bühne mehr zu sehen. Die Wiener Festwochen haben das Werk in einer Co-Produktion mit dem Staatstheater Darmstadt in ein aufregendes Bühnenbild gewuchtet.

Carl Zuckmayer hat in seinem Theaterstück "Der Rattenfänger" aus der berühmten Mär vom Ratten und schließlich Kinder lockenden Vagabunden ein sozialkritisches Drama gemacht, das 1975 uraufgeführt worden ist. Ein Werk, über das sich vor allem sprachlich einige Patina gelegt hat. Friedrich Cerha hat für seine Opern-Version eine stringente Fassung destilliert. Was in den Mittelpunkt gerückt wurde, hat der Komponist in einem scharfsinnigen Aufsatz für das Programmheft analysiert: Es geht um Macht und Ohnmacht. Soziales Ungleichgewicht wird von der herrschenden Schicht zur Unterdrückung des gemeinen Volks genutzt. Der Stadtregent und Mühlenbesitzer nimmt eine Rattenplage in Kauf, um die Mehl-Preise hoch und das hungernde Volk an der kurzen Leine zu halten. Als die Ratten die letzten Reserven gefährden, vertreibt der Rattenfänger die Brut. Sein zugesicherter Lohn - ein Stück Land und das Stattrecht - wird ihm verweigert. Der Rattenfänger mit seiner natürlichen Gabe, den Menschen ihre Unterdrückung vor Augen zu führen, ist eine Gefahr für die herrschende Klasse. Divana, die Frau des Stadtregenten, schützt den Rattenfänger noch eine Nacht vor dem Kerker. Für sie spielt er auf seinem Instrument, zieht sie in den Bann der Musik. Für eine Minute zuviel gibt sich der Rattenfänger dem Rausch der Macht hin: Divana tanzt sich zu Tode.

Daraufhin bricht in der Stadt das Chaos aus. Der Rattenfänger wird zum Tode verurteilt, die Volksmassen, die unter seiner Führung eine Revolution anzetteln wollten, plündern stattdessen das Judenviertel, die Kinder des Stadtregenten pressen mit der Drohung, sich selbst zu töten, den Rattenfänger frei. Schließlich verlassen die Kinder der Stadt unter der Führung des Rattenfängers die zerstörte Stadt - in der utopischen Hoffnung auf ein neues Leben.

Mit seinem "Rattenfänger" hat Friedrich Cerha eine gekonnte Theaterarbeit hingelegt. Die Gesetzte von Macht und Unterdrückung sind plastisch herausgearbeitet, der Rattenfänger ist als vielschichtige Figur gezeichnet. Cerha nutzt ein breites Spektrum an musikalischen Mitteln, vom leisen Gitarren-Zirpen bis zum dröhnenden Orchester-Fortissimo, von weiten Klangflächen bis zu Choral-Zitaten. Leider erklingt aus dem Orchestergraben allzu oft das nahe liegende. Bei aller Stil-Vielfalt: Überraschungen sind selten. Die Musik ist kaum mehr als ein passables Vehikel für die emotionelle Grundierung der Handlung.

Die sehr sangbar gestalteten Vokalpartien sind bei John Pierce (Rattenfänger), Jennifer Barrette Arnold (Divana) und Morenike Fadayomi (Henkerstochter Rikke) in guten Händen. Sonst herrscht stimmliches und wortundeutliches Mittelmaß, Wojciech Halicki überzeugt unter der Regie von Friedrich Meyer-Oertel als durchtriebener Hostienbäcker.

Überwältigend ist das Bühnenbild von Hartmut Schörghofer, der auf eine Drehbühne eine riesige Werftanlage gewuchtet hat, die mit jeder Drehung neue Blickwinkel frei gibt. Jubel für den Komponisten und die Rückkehr seines "Rattenfängers" nach Wien.


 
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Thursday, 10. June 2004

ernste musik

Musikverein: Wiener Philharmoniker, Nikolaus Harnoncourt


Bruckner beim Wort genommen

Keine weihrauchgeschwängerte, verbrämte oder ekstatische Bruckner-Interpretation, sondern eine genaue Darstellung der beeindruckenden Partitur von Bruckners Symphonie Nr. 5gelang Nikolaus Harnoncourt und den Wiener Philharmonikern.

Mit der Einspielung von Bruckners Siebenter Symphonie haben Nikolaus Harnoncourt und die Wiener Philharmoniker vor vier Jahren den Verputz im vom Weihrauch ergrauten Bruckner-Dom gelöst und erstaunliche Farben und Details ans Licht gebracht. In Salzburg hat sich Harnoncourt mit diesem Orchester Bruckners Neunter von der Forscherseite genähert und die Fragmente zum Finalsatz eingespielt.

Nun hat man sich im Rahmen der Wiener Festwochen der Fünften von Anton Bruckner angenommen. Nicht nur ein Paradestück der Philharmoniker, sondern auch ein Schlüsselwerk im Schaffen des Komponisten, das die Arbeit der ersten vier Symphonien zusammenfasst und auf sein Spätwerk weist. Die riesenhaften Dimensionen der Fünften formte Bruckner aus dem Wettstreit von Themen, deren Verwandtschaft im letzten Satz in einer gewaltigen mehrthematischen Fuge demonstriert wird. Ein kontrapunktischer Kraftakt.

Im ersten Satz deutete Harnoncourt mit einer lyrisch weichen Nebenstimme zum dritten Thema der Exposition an, wo es auch hätte hingehen können. Er entschied sich anders, man möchte fast sagen: nicht für eine (subjektive) Interpretation, sondern für eine Darstellung (falls so etwas überhaupt möglich ist). Denn straff waren nicht nur die Tempi, sondern exemplarisch die genaue und teils schroffe Ausformung der Themen. Harnoncourt ließ bei aller Beredtheit kein Abschweifen zu, behielt stets die beeindruckende Gesamtkonstruktion in Auge, Ohr und im Hinterkopf.

Folgerichtig ließ er das Adagio nicht weitschweifig ausbreiten, sondern setzte es als Nullpunkt (von dem aus Bruckner seine Komposition begann), über dem sich der gewaltige Bogen der thematischen Beziehungen hin zum alles summierenden Final-Satz spannte. Dort lud Harnoncourt die Musik in genau dosierten Wellen mit Energie auf - bis zum überwältigenden Durchbruch des Choralthemas. Ein Gänsehaut-Erlebnis, für das sich das Publikum mit Jubel bedankte.

Einziger Einwand: In Details hatte man das Gefühl, Harnoncourt wäre noch nicht ganz dort, wo er hin will. Manche Übergänge bargen noch kein Geheimnis, sondern glitten ins Ungefähre ab. Vielleicht stellt sich Ersteres ja noch im Lauf der folgenden Konzerte (Samstag, Sonntag und Montag) ein.


 
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