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Wednesday, 30. March 2005

oper

Auf des Erlösers holder Spur


Staatsoper/Osterklang: „Parsifal“ unter Peter Schneider

Mit Thomas Quasthoff in der Rolle des Amfortas sorgte die Parsifal-Inszenierung von Christine Mielitz an der Wiener Staatsoper für Aufsehen. Im Rahmen des „Osterklang“-Festivals sang nun Falk Struckmann diese Rolle.

Die Inszenierung von Christine Mielitz ist bereits in die Staatsopern-Geschichte eingegangen, auch weil sie zwei prominente Debüts möglich machte: Jenes von Thomas Quasthoff und das von Simon Rattle. Jetzt geht sie den Weg des Irdischen, nämlich den ins Repertoire. Und erodiert. Die Bewegungen des Chores werden ungenau und unbestimmt, Knappen stolpern über Schwerter und man meint zu spüren, wie sehr diese Inszenierung auf den Amfortas des Thomas Quasthoff zugeschnitten war. Stimmlich bot der „neue“ Amfortas Falk Struckmann in der „Osterklang“-Vorstellung am Vorabend des Karfreitag eine überragende Leistung. Das Erz in der Stimme, das manche Kritiker beim lyrischeren Thomas Quasthoff vermisst hatten, bot nun der geeichte Wagner-Sänger, der mit unheimlicher Stimmpräsenz sich als Idealbesetzung erwies.

Mielitz verzichtet in ihrer Arbeit für die Staatsoper gänzlich auf pseudochristliche Ikonografie. Die Hauptpersonen rücken, aus der Menge gerissen, stark in den Vordergrund. Erst nach und nach erschließt sich, wohin Mielitz ihren Parsifal, der außerhalb von Gesellschaft und Normen aufgewachsen ist, hinschubsen will. Da sind zerbombte Mauern, die die Bühne abschließen, rasch wechselnde Prospekte, mehrmals grelles Licht ins Publikum. Zur Gralsenthüllung im Saal der Gralsburg verschieben sich die Wände und die Ritterschaft hebt UFO-gleich auf einem Bühnenelement ab, darunter kommen Kinder zum Vorschein, die wie ausgezehrte Flüchtlinge aussehen. Klingsohr ist eine schillernde Zuhälter-Figur, unter den schwarzen Kitteln der Blumenmädchen verbergen sich samtrote, gewagte Abendkleider. In diese Endzeitstimmung setzt Mielitz ihren naiven Parsifal, der durch Anschauung und Mitleid sehend wird. Die Ritter der Gralsburg kriechen im letzten Bild wie ermattete Kriegsgefangene herum. Die Erlösung erfolgt, doch haftet ihr etwas Ernüchtertes an. Der Gral zerbricht. Und Kundry hat sich auch optisch – mit hellem Hemd und Hose – von der düsteren Grals-Gemeinschaft emanzipiert.

Am intensivsten wirkte an diesem Abend der zweite Akt, der zeigte, wo „Schrecklichster Triebe Höllendrang“ endet. Zerstörung und Krieg werden nicht, wie es Wagner verlangt, mit vertrockneten Blumen, sondern mit Bildern echter Verwüstung verdeutlicht. Packende Spannung, auch aus dem Orchestergraben, führten zu „der Liebe erster Kuss“, der Parsifal so nachhaltig „welthellsichtig“ macht – und das zwischen Kundrys Schenkeln. Rollendebütantin Mihoko Fujimura hatte hier als Kundry großartige Momente. Torsten Kerl war als Parsifal bemüht, konnte aber an Durchschlagskraft mit seinen Kollegen nicht mithalten, denn auch Wolfgang Bankl war als Klingsor eindringlich unsympathisch. Das Orchester bot unter Peter Schneider im ersten Akt verwackelte Einsätze und plattes Blechgedröhn, steigerte sich im zweiten Akt zu großer Intensität und versprühte schließlich feinen Karfreitags-Klangzauber.


 
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Thursday, 24. March 2005

tanz

Einsamkeit und Erinnerung


Osterklang/Museumsquartier: John Neumeiers „Winterreise“

John Neumeiers choreografierte „Winterreise“ aus dem Jahr 2001 war beim Wiener „Osterklang“-Festival zu Gast. Musikalische Grundlage ist Hans Zenders aufregende Version von Schuberts Liederzyklus.

Im Bühnenhintergrund ein Mosaik von Porträts. Links vorne eine einsame Straßenlampe, zwischen Publikum und Orchestergraben ein schmaler weißer Streifen mit künstlichem Schnee. Von der Decke ein grün belaubter Ast. Eine kurze Treppe, die im Nichts endet. Dazwischen hauptsächlich nichts. So sieht Yannis Kokkos’ Bühne für John Neumeiers „Winterreise“-Version aus. Der Choreograf macht ebenfalls die Reduktion zu einer Tugend. Seine „Winterreise“ ist eine Versuchsanordnung über die Einsamkeit und das, was bleibt: die Erinnerung.

Der kompakt geführten Compagnie des Hamburg Ballett stellt er stark individualisierten Solisten gegenüber. Formationen entstehen nur, um wieder aufgelöst zu werden. Handlung gibt es keine, die Strukturen erscheinen nicht abgeschlossen. Die Entwicklung der „Winterreise“ – zunehmende Einsamkeit und Entfremdung – wird auf alle Solisten verteilt. Da gibt es das Mädchen, das ihr Buch zerreißt („Auf dem Flusse“), den jungen Mann, der ein Duett mit seinem Schirm tanzt, den Solo-Tänzer, der mit den Männern der Compagnie einen hoffnungslosen Boxkampf vom Zaun bricht („Mut“) und einen Mann im Anzug, der vor einer großen Leinwand sitzt und sich die vergilbten Aufnahme eines Familienfests ansieht.

Mit vielen der miteinander verzahnten Szenen gelingen Neumeier stimmungsvolle Bilder und Assoziationen zu Schuberts Liedern. Neumeier und der Schubert-Bearbeiter Hans Zender wollen die revolutionäre „Winterreise“ dem heutigen Publikum näher zu bringen. Dem Komponisten gelingt das besser als dem Choreografen. Zender hat mit seiner „komponierten Interpretation“ so etwas wie einen dekonstruierenden Remix vorgenommen, der Schuberts „Winterreise“ mit einem verstörenden Ruck in die Gegenwart versetzt. Das Stück gehört zum Repertoire des Klangforum Wien und des Ensemble Modern, Tenor Christoph Pregardien sorgte mit einer Einspielung für Furore. Für den „Osterklang“ spielte das RSO Wien unter Johannes Kalitzke, es sang Scot Weir. Die Schärfe und Präzision der Interpretation durch die Spezialisten-Ensembles Klangforum und Ensemble Modern vermisste man schmerzlich. Scot Weir hingegen ließ keine Wünsche offen, er interpretierte die Gesangsstimme klar und prägnant. Durch die in der Halle notwendige technische Verstärkung ging jedoch die schockartige Unterscheidung zwischen unverstärkter und verstärkter Gesangsstimme verloren.

Im Mittelpunkt des Tanzabends stand, als roter Faden in Neumeiers Konzept, der japanische Tänzer Yukichi Hattori. In einem Schlabberpullover betritt er die Bühne, windet sich um die zu langen Ärmel. Tänzerisch ist er am weitesten von klassischen Figuren entfernt. Er bleibt schließlich allein mit dem „Leiermann“, durch einen Tänzer personifiziertes letztes Lied der „Winterreise“, zurück. Neumeier schließt mit einem berückenden Bild: Hattori windet sich aus dem Pullover und verlässt den Bühnenraum, zurück bleibt der „Leiermann“ – im Schlabberpulli.


 
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Monday, 21. March 2005

ernste musik

Auf der Suche nach dem verlorenen Bach


Musikverein: Wiener Philharmoniker, Schoenberg Chor, Daniel Harding

Johann Sebastian Bachs „Matthäus-Passion“ läutete das heurige „Osterklang“-Festival ein. Daniel Harding gelang eine Interpretation von großer Spannung, im Detail suchte er den Kompromiss.

Zum dritten Mal haben die Wiener Philharmoniker die Matthäus-Passion im Rahmen des Festivals „Osterklang“ aufgeführt. Die Bach-Experten Helmuth Rilling und Nikolaus Harnoncourt waren die Vorgänger des diesjährigen Dirigenten Daniel Harding. Der dynamische Engländer, der heuer mit Mahler sein Debüt bei den Wiener Philharmonikern gefeiert hatte, ist zwar kein ausgewiesener Spezialist für historische Aufführungspraxis, doch gehört er einer Generation von Musikern an, denen das barocke Vokabular selbstverständlich geworden ist. Denn längst geben die Originalklang-Ensembles die Standards für dieses Genre vor. Das Klangideal ist ein entschlacktes. Mehr noch: Durch die Wiederentdeckung der rhetorischen Ausdrucksmittel wissen wir, dass nicht nur die Worte zu uns sprechen. Auch die Musik ist Text – diese Erkenntnis erlaubt ein neues Verstehen des Bachschen Passionswerks.

Ist Harding ein Musiker, der mit diesen Errungenschaften aufgewachsen ist, müssen die Wiener Philharmoniker um ihren Bach kämpfen. Ein Dirigent wie Daniel Harding kommt dem Orchester entgegen. Er bricht nichts übers Knie, fordert von den Philharmonikern keine Selbstverleugnung. Details – auch im Sinne rhetorischer Figuren – schienen weniger wichtig genommen als der Gesamtaufbau des riesigen Werks. Vor allem die dramatischen, dialogischen Momente der Matthäus-Passion gelangen Harding beeindruckend, kraftvoll und rhythmisch federnd. Großen Anteil daran hatte der präzise Arnold Schoenberg Chor.

Die Begleitung der Arien gelang weniger eindrucksvoll. Was dem Orchester fehlte, war die Selbstverständlichkeit, einen gemeinsamen, tänzerischen Grundpuls zu finden. Man könnte auch sagen: barocken Groove. Darauf bauen Spezial-Ensembles ihre Interpretationen auf, wie das die Philharmoniker mit der verzögerten Drei beim Walzer tun. Trotz Hardings intensivem Bemühen klang vieles nicht leicht, sondern angestrengt, dem Orchester unterliefen rhythmische Fehler. Die Intonation, die bei Originalklang-Ensembles die Tonartencharakteristik hörbar macht, blieb an manchen Stellen uneinheitlich, die Musiker rückten nicht im selben Grad von der romantischen Leitton-Ästhetik ab.

Rundum überzeugend waren nur Einzelleistungen. Allen voran die der Sänger. Der Arnold Schoenberg Chor begeisterte mit warmem Choral-Klang und packender Präsenz bei den dramatischen Chorpassagen. Mark Padmore sang einen wortdeutlichen, höhensicheren Evangelisten - eine Idealbesetzung. Olaf Bär gab einen sicheren Jesus, Christine Schäfer führte ihren Sopran sensibel, Anne Sofie von Otters Mezzo klang etwas robuster. James Taylor ließ mit durchschlagskräftigen Tenor-Soli aufhorchen, Neal Davies meisterte die Bass-Arien souverän. Der Amadeus Knabenchor Wien rundete die makellosen Gesangsleistungen ab.


 
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