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Thursday, 21. April 2005

ernste musik

Europas Musiker-Nachwuchs im Praxistest


Musikverein: European Music Academies’ Orchestra, Colin Davis

Bewährungsprobe für junge Studenten dreier europäischer Musikuniversitäten: Ein gemeinsam besetztes Orchester unter Sir Colin Davis interpretierte Musik von Mozart, Elgar und Sibelius.

Zu seinem 75. Geburtstag vor drei Jahren hatte sich Altmeister Sir Colin Davis ein Orchester gewünscht. Es sollte sich aus jungen Musikern zusammensetzen. Die Musikuniversitäten von Wien, London und Helsinki haben ihm diesen Wunsch erfüllt. Nach Konzerten in Großbritannien und Finnland spielte das „European Music Academies’ Orchestra“ nun im Wiener Musikverein sein drittes Konzert unter der Leitung des britischen Dirigenten. Aus den Ländern der teilnehmenden Universitäten stammen auch die vorgestellten Komponisten: Mozart, Elgar, Sibelius.

Was sofort ins Auge stach, war die geschlechterspezifische Verteilung an den Pulten: Unter 27 Frauen saßen drei männliche Geiger. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, müsste sich das sehr bald auch in Österreichs männerdominierten Orchestern widerspiegeln…

Große Konzentration prägte die Interpretation von Mozarts „Jupiter-Symphonie“. Das Fehlen von Erfahrung erwies sich hier als Vorteil: Alle Details waren bewusst gearbeitet und nicht Resultat von Routine. Die große Linie gab Davis vor, ein leichter, heller, apollinischer Mozart, trotz großer Besetzung. Und berührender als jedes durchschnittliche Abo-Konzert.

Bei Edward Elgars Enigma-Variationen zeigte sich, dass Routine auch hätte hilfreich sein können: Einzelne technisch diffizile Stellen gelangen nicht mit letzter Souveränität, die innig-schwelgerischen Abschnitte wogten hingegen herzerweichend. Eine kompakte, klare Interpretation von Jean Sibelius’ Siebenter Symphonie bildete den „finnischen“ Teil des Abends. Die Solisten des Orchesters musizierten zum Teil sensibel, aber mit zu wenig Selbstvertrauen (Bratsche), zum Teil fulminant: Die Erste Posaunistin schmetterte ihr ausgedehntes Solo in der Sibelius-Symphonie kraftstrotzend und hochmusikalisch über die Köpfe ihrer Mitmusiker hinweg. Erfrischend wie ein Frühlingsmorgen.


 
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Monday, 4. April 2005

oper

Ein Lehrstück im Fach Opernregie


Volksoper: Puccinis „Madama Butterfly“ unter Marc Piollet Stefan Herheims „Madama Butterfly“ an der Wiener Volksoper erregt noch immer die Gemüter. Dass diese Regiearbeit von größter Qualität ist, bewies die Inszenierung nach der Urfassung von 1904 auch in der jüngsten Wiederaufnahme.

Leere Zuschauersitze, Buhs nach dem Verklingen des letzten Akkordes: Beides hat sich Stefan Herheims Inszenierung von Puccinis Butterfly-Urfassung nicht verdient. Denn der Regisseur erzählt das rührselige Stück über die von ihrem amerikanischen Ehemann verlassene Cio-Cio-San virtuos und eindrucksvoll.

Herheims Butterfly ist eine Getriebene. Ihr Selbstmord scheint der einzige Ausweg aus dem engen gesellschaftlichen Korsett zu sein. Und da uns das Stück in der Volksoper auf mehreren Ebenen nahe gebracht wird, trägt auch das Publikum Schuld am Tod der Cio-Cio-San. Nicht nur im übertragenen Sinne: Der letzte Akt spielt in einem Puccini-Museum und als die Hauptfigur sich weigert, Harakiri zu begehen, legen die blutrünstigen Museumsbesucher selbst Hand an.

Dass das nicht zu einem billigen Gag wird, liegt am konzisen Konzept, das die Inszenierung zusammenhält und ihr Spannung verleiht. Herheim lässt das Drama auf mehreren Ebenen spielen: Als Spiel im Spiel, als Museumsstück, als Künstlerdrama – denn Puccini ist auch auf der Bühne. Ein Kunstgriff mit Folgen: Puccini (Josef Luftensteiner) führt die von Herheim präzise gezeichneten Figuren selbst ins Verderben, der Komponist ballt Musik und Fäuste zur emotionalen Unterstützung. Aus seinen Händen flattern glitzernde Konfetti zum orgiastischen Höhepunkt aus dem Orchestergraben.

Auch dort überzeugt diese Produktion. Noch-Volksopern-Musikdirektor Marc Piollet sorgt für Sicherheit, Sound und Stringenz im Orchestergraben. So hört man das Orchester nicht jeden Abend im Haus am Gürtel. Takako Massaro ist eine stimmkräftige Cio-Cio-San, deren stimmliche Differenzierung stark unter einem weiträumigen Dauervibrato und dem Mangel an weichen Piano-Abstufungen leidet. Wie man nicht nur mit Lautstärke, sondern auch musikalisch fesseln kann, führt die Mezzosopranistin Yanyu Guo als Butterflys Dienerin Suzuki vor. Mika Pohjonen ist als Pinkerton bemüht, seine Stimme klingt jedoch über weite Strecken flach und papieren. Aus dem sonst mittelmäßigen Ensemble ragen Morten Frank Larsen als Sharpless und der Rollendebütant Sorin Coliban als Onkel Bonze heraus.

Wie Puccini mit dem Scheitern der Liebe die Liebe erst recht sichtbar macht, so hat Herheim den Bühnentod der Cio-Cio-San erträglich gemacht, indem er ihn in seiner Unerträglichkeit bloßstellt. Die Buh-Rufer fühlten sich wohl um den wohligen Schauer betrogen, den der Tod Cio-Cio-Sans ihnen über den Rücken hätte jagen sollen.


 
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Wednesday, 30. March 2005

ernste musik

Ein druckvoller Einspringer


Mozart-Saal: Florian Boesch, Justus Zeyen

Der Bariton Florian Boesch wird statt Genia Kühmeier, die ein Kind erwartet, als österreichischer „Rising Star“ in die großen Konzertsäle der Klassikwelt gesandt. Nun präsentierte er sein Lied-Programm mit den Paarungen Goethe/Schubert sowie Heine/Schumann im Wiener Konzerthaus.

Als Florian Boesch seinen Kopf aus dem breiten Nacken schnell nach links und rechts warf wie Jake LaMotta vor dem entscheidenden Boxkampf, wusste man: Jetzt geht’s los. Pianist Justus Zeyen machte seine Handgelenke geschmeidig: Der Erlkönig. Erst mit dieser Ballade kam Boeschs druckvolle, technisch sichere und zur Differenzierung fähige Sangeskunst so richtig zur Geltung. Davor hatte Boesch weitere Goethe-Vertonungen von Franz Schubert interpretiert. Durchwegs fein ziselierte Gedichte, die dem Sänger nicht viel Zeit lassen, ein Panorama zu entfalten. Den „Ersten Verlust“ meisterte Boesch zwar souverän, ebenso wie bei „Wanderers Nachtlied I“ klang mancher Vers aber seltsam eintönig.

Ähnlich verhielt es sich auch mit Schumann-Liedern nach Texten von Heinrich Heine, die den zweiten Block des Liederabends bildeten. Lag dem Gedicht ein Plot zu Grunde, gelang Boesch eine dynamische Interpretation, die Stimmungsbilder unter den Texten gelangen weniger überzeugend. So würzte Boesch die Schumann-Lieder über den „armen Peter“ mit rotziger Trotzköpfigkeit und Ironie. „Ich wandelte unter den Bäumen“ hingegen wirkte ziel- und richtungslos. Nicht jede Zeile vermittelte eine klare Vorstellung von ihrem poetischen Wert. Hohe Ansprüche, aber die sind an einen versierten Sänger wie Boesch zu stellen. Gespenstisch an Schumanns „Mein Wagen rollet langsam“ war hauptsächlich die Klavierbegleitung. Justus Zeyen, musikalischer Wegbegleiter von Thomas Quasthoff, traf stets den poetischen Nerv der romantischen Stücke, während Boesch einige Male im Trüben fischte.


 
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