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Monday, 29. November 2004

ernste musik

Aschenregen-Musik


Konzerthaus: RSO Wien, Sudraba, Kremer, Klas

Mit dem Konzert des RSO Wien unter Eri Klas und den Solisten Gidon Kremer und Marta Sudraba ging der Schnittke-Schwerpunkt bei Wien Modern zu Ende.

Wien war für Alfred Schnittke nicht nur ein Wohnort im physischen Sinne. Auch ästhetische Maximen, die unter anderem von Gustav Mahler herzuleiten sind, wurden für ihn geistige Heimat. Besonders deutlich wurde dies beim Schnittke-Konzert des RSO Wien im Rahmen von Wien Modern. Es zeigte exemplarisch, wie Schnittke höchste Expressivität in eine höchst zeitgenössische Musik zu gießen vermochte. Technisch betrachtet diente ihm dazu auch ein Verfahren Mahlers.

Ein kantig musizierender Gidon Kremer interpretierte zunächst Schnittkes Concerto grosso Nr. 2. An seiner Seite überzeugte die Cellistin Marta Sudraba, die mit Schnittkes Figuren auch weichere Kantilenen zu zeichnen vermochte.

Im Zentrum stand, als gewichtigste Komposition des Abends, die Symphonie Nr. 5. Sie ist gleichzeitig das Concerto grosso Nr. 4. Schon die Werkbezeichnung ist ein Hinweis auf die alles dominierende Polystilistik. Herrscht im ersten Satz rege barocke Betriebsamkeit, begibt sich der zweite Satz auf die Spuren von Gustav Mahlers Klangwelt. Schließlich erklingen sogar 24 Takte Mahler pur: der als Fragment erhaltene zweite Satz von Mahlers unvollendetem Klavierquartett von 1876. Massive Klangballungen, polyrhythmische, polytonale Höhepunkte und plötzliche Stimmungswechsel tragen das Werk jedoch nicht zu einer Mahlerschen Schluss-Steigerung, sondern finden ein abruptes Ende in einem fahlen Akkord des Orchesters. Eine Symphonie, die ziemliches Unbehagen auslösen kann. Das RSO Wien attackierte souverän und kräftig, mit fleischigen Gesten geführt von Dirigent Ere Klas.

Die Ähnlichkeit mit Gustav Mahler besteht nicht nur im Klavierquintett-Zitat, sondern im kompositorischen Prinzip. Wie Mahler lässt Schnittke semantisch aufgeladene Musik (sowohl Fremd- als auch Selbstzitate) mit größter Wucht aufeinander krachen. Die Wunderbarsten Momente sind die der auskomponierten Stille nach dem Big Bang, der mit einem Schlag alles zerstäubt hat: Schnittke schreibt dann Aschenregenmusik – genauso grausam wie schön.

Das Concerto grosso Nr. 5, nun wieder mit Kremer als Solisten, stellt die Violine über einen dichten Orchestersatz. Es ist Epischer in der Anlage als die dramatische Fünfte Symphonie. Kremers obsessives Spiel fesselte die Aufmerksamkeit. Der traditionellen Jahreszeiten-Thematik angelehnt, steigerten sich die ersten drei Sätze (Frühling, Sommer, Herbst), bis der Winter plötzlich und ereignishaft hereinbrach wie die Stille eines alles erstickenden Schneetreibens.


 
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ernste musik

Mozart-Saal: Eröffnungskonzert von „Douce France?“


Musik aus dem französischen Exil

„Douce France?“, ein Festival des Orpheus Trust, stellt Frankreich als Exil- und Durchgangsland für vom NS-Regime verfolgte Musikschaffende stellt vor.

Für viele Kunstschaffende war Frankreich Zufluchtstädte vor dem Nationalsozialismus. „Douce France?“ („Süßes Frankreich?“), ein Festival des Orpheus Trust, möchte sie wieder ins Gedächtnis rufen. Das Fragenzeichen im Titel ist nicht zufällig gesetzt: Nachdem die Nazis in Frankreich eingefallen waren, gingen auch von hier die Deportationszüge nach Auschwitz. So überlebte etwa Norbert Glanzberg (1910-2001) mit Hilfe Edith Piafs. Glanzberg war von Berlin nach Paris emigriert und machte nach schwierigen Anfängen Karriere als Chanson-Schreiber. Mit Hilfe von Edith Piaf und Tino Rossi entkam er der Deportation und überlebte im Versteck. Nach der Befreiung schrieb er für Legenden wie Piaf, Yves Montand und Petula Clark. Am Ende seiner Karriere wandte sich der aus einer jüdisch-orthodoxen Familie stammende Komponist seinen kulturellen Wurzeln zu. Das Ensemble „die reihe“ stellte Glanzbergs „Suite Yiddish“ vor. Eine Uraufführung. Das Stück beschwört eine verlorene Zeit herauf: Glanzberg malte etwas sentimentale, von Isaac Bashevi Singer inspirierte Genrebilder.

Paul Arma (1904-1987), in Budapest geboren, wirkte als Konzertpianist und wurde später musikalischer Leiter am Bauhaus. Sein Kampflied „Han! Coolie“ wurde weltberühmt. Während der Okkupations-Zeit arbeitete er im Versteck weiter an seiner Musik. Befreundete Künstler wie Pablo Picasso und Henri Matisse schufen für ihn Titelblätter. Eine Schau in der Künstlerhaus-Passage (2. Dezember bis 6. Jänner) wird sich diesem Aspekt im Schaffen Paul Armas widmen.

Armas „Sept Transparences“ waren ein würdiger Beginn des Konzertabends, kombinieren sie doch eine französische Erfindung (das Saxophon) mit einer aus Österreich (dem Streichquartett). Armas Klangsprache der 60er Jahre weist die Präzision der Zweiten Wiener Schule auf, kombiniert mit französischem Klanggefühl. Bei der Interpretation dieses Saxophonquartetts war man mit dem von Gerald Preinfalk angeführten Ensemble musikalisch auf der sicheren Seite. Was man von den restlichen Interpreten nur bedingt behaupten kann. Überdeutlich und im Missverhältnis zum klingenden Ergebnis zeigte Dirigent Andreas Mitisek ein etwas hampelmännisches Gestochere, das der Musik (und dem Ensemble „die reihe“) kaum Atem ließ. Manche der Stücke litten extrem unter der inadäquaten Wiedergabe. Besonders die Lieder Paul Armas und des Schönberg-Schülers Max Deutsch, vorgetragen von Christina Ascher, hätten eine Sängerin auf der Höhe ihrer Gesangskünste verdient.


 
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Thursday, 25. November 2004

ernste musik

Musikverein: RSO Wien, Bertrand de Billy


Französische Valeurs ohne Verve und Wirkung

Raffinierte französische Musik und ein virtuoses, frankophiles Klarinetten-Konzert des deutschen Komponisten Manfred Trojahn dirigierte Bertrand de Billy im Wiener Musikverein.

An manchen Abenden mag auch im goldensten Konzertsaal der Welt keine rechte Stimmung aufkommen. Das Publikum reagierte auf Bertrand de Billys interessantes Programm so euphorisch, als hätte es einem Musikschulkonzert beigewohnt und gerade die siebente Czerny-Etüde über sich ergehen lassen müssen. Mochte die uninspirierte Routine-Arbeit der Damen und Herren des Radio-Symphonieorchesters Wien an diesem Abend das Publikum nicht recht entflammen? Oder spürte das Orchester, dass es quasi ins Leere spielte und tat deshalb nur das Nötigste?

Wie dem auch sei. Maurice Ravels „Alborada del gracioso“ wäre eigentlich ein flotter Auftakt gewesen. Das Schlagwerk ließ es auch aufdringlich krachen. Diese Plumpheit entsprach auch dem überraschend geringen Grad an klanglichem Raffinement, zu dem sich die Musiker aufraffen konnten. Gehört doch dieses Werk zu jenen, die Ravels Meisterschaft im Orchestrieren beweisen.

Nicht auf Raffinement, sondern auf klangliche Klarheit setzt Manfred Trojahn. Seine Rhapsodie für Klarinette und Orchester lässt die Klarinette ganz klassisch konzertieren. Der deutsche Komponist, der durch seine Literatur-Opern "Enrico" und "Was ihr wollt" bekannt geworden ist, möchte mit Korrespondenzen zu klassischem Vokabular „ein gewisses Maß an Verständlichkeit“ erreichen. Das gelingt ihm mit diesem Werk, das die Klarinette über weite Strecken über einem Streicherteppich konzertieren lässt. Weit gespannte Melodien und halsbrecherische Kaskaden dominieren. Solistin Sabine Meyer spielte souverän, mit samtweichem Timbre und sicheren Läufen. Dasselbe gilt für ihre sichere Interpretation von Claude Debussys „Première Phapsodie“.

Auch Albert Roussels Symphonie Nr. 4 hatte an diesem Abend nicht den erwartbaren Effekt. Die Mischung aus Selbstironie und Anmaßung, die Spannung zwischen feinen Valeurs und groben Klang-Klötzen, vielleicht geht das alles an heutigen Ohren vorbei. Das Orchester jedenfalls erwachte mit dem Hauptthema des ersten Satzes aus seinem komatösen Spiel, im überlangen „Lento“, das im Zentrum des Werkes steht, machte sich aber das Fehlen an geigerischer Substanz bemerkbar.


 
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