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oper
kritikastern, July 24, 2006 at 3:44:27 PM BST Oper als Erotikthriller Wien: "Don Giovanni" unter Bertrand de Billy So wie man "Don Giovanni" meist zu sehen und zu hören bekommt, hat Mozart die Oper nie komponiert. Denn Mozart hat zwei Fassungen geschaffen: Eine Prager und eine Wiener Version. Meistens wird eine Mischform der beiden aufgeführt. Für das Wiener Klangbogen-Festival hat Keith Warner die Wiener Fassung inszeniert, die Aufführung endet effektvoll mit Don Giovannis Höllenfahrt. Warners spannendes Regiekonzept lässt das Grübeln über Fassungen allerdings schnell vergessen. Denn der Brite hat hervorgeholt, was in anderen Inszenierungen unter staubigen Perücken und weiten Reifröcken versteckt wird: Sex, Gewalt, Tod. Indem Warner die Handlung in einem modernen Hotel spielen lässt, trifft er zwei Fliegen auf einen Schlag: Ausstatterin Es Devlin konnte ihm ein funktionelles Bühnenbild für schnelle Auftritte zur Verfügung stellen, ein Raum, der Abläufe verdichtet. Zudem dient ihm das Hotel als Metapher für menschliche Leidenschaft, ein Ort voll Geheimnis, Verführung, Geilheit und Trostlosigkeit. Mit kleinen Gesten gibt Warner den Handlungen der Bühnenfiguren neue Erklärungsmodelle, ohne dem Stück Gewalt anzutun. Donna Anna wirft Don Giovanni den Degen zu, mit dem ihr Vater getötet wird. Was sie und Giovanni davor getan haben, bleibt kein Rätsel. Dieses Geheimnis lüften die Beinkleider, die sich die beiden erst hochziehen müssen, nachdem sie aus dem Lift gepurzelt sind. Die Hotel-Thematik ist konsequent durchgeführt, mit enormem Tempo, buffoneskem Humor und genauem Blick auf Text und Musik, versetzt mit einem Schuss Erotik und filmhafter Krimi-Spannung. Leporello ist der Concierge, Zerlina und Masetto einfache Hotelbedienstete. Elvira tritt als Hotelgast auf, eine zutiefst verletzte Frau, die doch von Giovanni nicht lassen kann. Vor seinen Verfolgern flüchtet Giovanni durch Hotelkorridore, im Keller des Etablissements "Hotel Universale" erscheint der Komtur als untote Totenmaske in einer Plexiglas-Box. Dass der Ball eine Swinger-Party ist, die Giovanni mit Drogen am Laufen hält, ist nur konsequent. Die Schlussszene zeigt die Folgen dieses Lotterlebens. Brillant musiziert Dem hohen Tempo der Inszenierung stehen Bertrand de Billy und das Radio Symphonieorchester Wien um nichts nach. De Billy hat mit dem Orchester bereits vor vier Jahren die Prager Fassung eingespielt. Wie auf dieser Aufnahme musiziert das RSO sehr pointiert, flott und trotzdem detailgenau, Billy sorgt für scharfe Kontraste, abgerissene Accelerandi und trockene Paukenschläge. Ohne darstellerisch packende Sänger wäre Warners Regiekonzept nicht aufgegangen. Sängerisch überzeugen alle auf höchstem Niveau. Gerald Finley und Hanno Müller-Brachmann sind als Don Giovanni und Leporello ein auch stimmlich ausgereiftes Paar mit starker Bühnenpräsenz. Myrtò Papatanasiu gibt als Donna Anna das verwirrend schöne Biest, Mathias Zachariassen ist als Don Ottavio wenn schon kein zweiter Wunderlich so doch ein frommes Lamm im Pastorenkostüm, Attila Jun ein einschüchternd orgelnder Commendatore. Heidi Brunners Elvira pendelt zwischen Klamauk und Ernst, Markus Butters gehörnter Masetto schmilzt in Zerlinas Zimmermädchen-Händen dahin. Adriane Queiroz switcht als Zerlina kokett von Maso zu Sado, von der Bitte um Schläge ("Batti, Batti") zum Duett der Wiener Fassung, in dem sie Leporello fesselt und quält. Bravos für die Sänger, Jubel für das Regieteam und Bertrand de Billy. -> <a href=www.wienerzeitung.at target=_new>wz link me oper
weichfest, June 28, 2005 at 1:19:30 PM BST Star-Rummel um den Heiligen Gral Staatsoper: Parsifal unter Thielemann mit Meier, Struckmann, Domingo Christian Thielemann, Plácido Domingo, Waltraud Meier und Falk Struckmann hießen die heftig umjubelten Stars der Parsifal-Aufführung an der Wiener Staatsoper. „Bravos“, bevor noch eine Note erklungen war: Thielemann-Fans hießen ihren Star schon beim betreten des Orchestergrabens willkommen. Auch was dann zu hören war, war außergewöhnlich. Thielemann führte seine Musiker präzise durch jede Phrase der Parsifal-Partitur, achtete besonders auf die musikalisch exakte Realisierung der Vers-Enden, um anschließend wieder Tempo zu machen. Großräumige Entwicklungen der Bläserstimmen leitete er mit Ruhe und Umsicht zu ihrem Höhepunkt, dynamische Kontraste ließ er mit großer Tiefenschärfe realisieren. Das Orchester folgte mit Hingabe. Der Dirigent und das Staatsopern-Orchester ernteten dafür Standing Ovations der Wagner-Gemeinde. Stimmlich im Zentrum stand Falk Struckmann als Amfortas. Klangmächtig realisierte er weit gespannte Melodiebögen, mit Souveränität über alle Register geführt. Plácido Domingo ist noch immer ein Darsteller mit großer Bühnenpräsenz. Man könnte das Fehlen des einstigen stimmlichen Glanzes bedauern, undeutliche Textrealisierung an manchen Stellen bemängeln – schwerer zu wiegen scheint jedoch, auf welch hohem technischen Niveau Domingo noch immer zu singen vermag. An seiner Seite als Kundry: Waltraud Meier. Im packenden Duett Parsifal-Kundry des zweiten Aktes erreichte sie höchste Intensität auch in der Mittellage, ihre expressiven Ausbrüche waren von erschreckender Kraft, exakte Tonhöhen schienen ihr an exponierten Stellen jedoch von geringerer Bedeutung. Wolfgang Bankl ist als Klingsohr in der Inszenierung von Christine Mielitz ein Dealer und Verführer (auch vom Rednerpult herab). Er macht Kundry mit Drogen gefügig und setzt seine gewagt bekleideten Blumenmädchen auf Parsifal an. Bankl überzeugte wie in früheren Aufführungen stimmlich und darstellerisch. Franz-Josef Selig gab einen wackeren Gurnemanz. Die Inszenierung der Mielitz, die ihre 12. Aufführung erlebte, funktioniert und ist noch immer spannend und facettenreich. link me oper
weichfest, June 15, 2005 at 10:22:50 PM BST Naiver Barock-Workshop Festwochen: Szenische Bach-Kantaten von Peter Sellars Regisseur Peter Sellars enttäuschte bei den Wiener Festwochen mit einer naiv wirkenden szenischen Deutung zweier Bach-Kantaten. Johann Sebastian Bachs Kantaten „Mein Herze schwimmt im Blut“ und „Ich habe genug“ mögen für heutige Hörer recht verstörende literarische Bilder in Töne setzen: Ausgedorrte Herzen, die, einem Tränenbrunnen gleich, in Blut schwimmen. Doch das entspricht durchwegs dem damals gängigen Bilderrepertoire. Die protestantische Lyrik des Spätbarocks bedient sich einer typisierten, bilderreichen Sprache, ist aber nicht Ausdruck seelischer Befindlichkeiten eines Dichtersubjekts. Gemeint sind vielmehr Sinnbilder für die Hinwendung zu Gott. (Ebenso wenig sollte man die orthodox-lutherisch und pietistisch gefärbten Texte mit Bachs Befindlichkeit gleichsetzen.) Peter Sellars ignorierte alle historischen Fakten und lieferte im Rahmen der Wiener Festwochen eine Interpretation religiöser Texte, wie wir sie aus amerikanischem Kirchen-TV kennen: unter völliger Ausblendung ihres historischen Kontextes und der Anwendung simpler Küchenpsychologie. Nicht dass man ahistorisches Vorgehen von Sellars nicht schon gewohnt wäre. Das Ergebnis ist diesmal jedoch dürftig. Auf theoretischer Ebene: Sellars verwechselt die barocke „Allegorie“ mit dem psychologisch gedeuteten „Symbol“, erweitert nicht ins Allgemeine, Abstrakte, sondern verengt ins Konkrete. Sellars legte die in ihren Anspielungen nur mit bester Bibel-Kenntnis verständlichen Texte psychologisch, ja psychosomatisch aus. „Mein Herze schwimmt im Blut“, BWV 199, wurde zum platten Seelendrama. Das Bühnen-Setting hielt Sellars simpel: Links das Orchester, rechts ein schwarzes Podium, auf dem sich die Sängerin Lorraine Hunt Lieberson bewegte. Wiederkehrende Textzeilen doppelte Sellars mit einfachen Bewegungsmustern. „Tief gebückt und voller Reue“ warf sich die Sängerin flehend vors Publikum. In seiner naiven Unmittelbarkeit wirkte das wie ein Improvisations-Workshop. Die amerikanische Mezzosopranistin sang mit warmem Timbre und etwas opernhafter Phrasierung, ihr gelang eine durchaus eindringliche musikalische Deutung. Das Bostoner „Orchestra of Emmanuel Music“ unter Craig Smith gab der Musik kaum Profil, die undifferenzierte Streichergruppe sorgte für einen süßlich-dumpfen Bach-Sirup. „Ich habe genug“ (BWV 82) deutete Sellers als Ausdruck für das Abschiednehmen vom Leben durch eine todgeweihte Patientin. Das mag aus konkreter Betroffenheit heraus durchaus relevant sein, als ästhetisches Konzept taugt es nicht. Die einfachen Bewegungen duplizierten auch hier die musikalischen Formabläufe. Zur Sängerin trat der Tänzer Michael Schumacher. Er ließ mit spärlichen Gesten eine große Glühbirne um die Sängerin kreisen. Als Bild für die Hoffnung auf das Jenseits hatte sich das schnell verbraucht. „Was Bach so tief macht, ist die Da-capo-Struktur seiner Arien“ schreibt Peter Sellars im Programmheft. Mit kargen Bewegungsmustern setzte er diese musikalische Struktur räumlich um. Aber ist das wirklich das, was Bachs Musik „so tief macht“? Wieso sind dann Myriaden anderer Da-capo-Arien nicht „so tief“? Nicht die einzige Ungereimtheit in Sellars’ Konzept. link me |
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last updated: 8/8/05, 6:22 PM Youre not logged in ... Login
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