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Sunday, 28. March 2004

theater

Burgtheater: Robert Meyer inszeniert Nestroy


Exemplarische Nestroy-Einakter

Robert Meyer hat trefflich gewählt: Drei Possen von Johann Nestroy inszenierte er für sich, seine Kollegen und das Publikum des Burgtheaters. Zunächst eines der ersten Stücke Nestroys: das Vorspiel "Zettelträger Papp". Weiters den Einakter "Ein gebildeter Hausknecht" und schließlich Nestroys letztes Werk, "Frühere Verhältnisse". Die gewählten Stücke stehen exemplarisch für Nestroys Schaffen. Alle drei beziehen sich auf erfolgreiche Vorlagen, die Nestroy für seine Zwecke adaptiert hat. Eine Satire auf das Theater ist der "Zettelträger Papp". Es ist dies die Bearbeitung einer Bearbeitung: Die Vorlage stammt von Hermann Herzenskron, Ferdinand Raimund hat sie sich angeeignet, Nestroy hat sie weiter umgearbeitet (und Meyer hat Teile der Raimung-Bearbeitung wieder aufgenommen). Über die Autorschaft von "Ein gebildeter Hausknecht" streiten die Experten, Nestroy hat jedenfalls den "Nitschke" der Berliner Vorlage zum "Knitsch" gemacht - es wurde eine der beliebtesten Rollen seiner letzten Schauspieler-Jahre. Und die polulären "Früheren Verhältnisse" haben ihr Vorbild in einem früheren Stück Emil Pohls.

Regisseur Robert Meyer teilt sich die Nestroy-Rollen mit Branko Samarovski: Meyer ist ein kecker Zettelträger Papp, der das Eintreffen einer fahrenden Theatergruppe ankündigt und in einer witzigen Hamlet-Travestie die Theaterwelt (noch heute treffend) persifliert. Samarovski gibt den "gebildeten Hausknecht" Knitsch in einer flotten Posse über zwei Ehepaare, die ihre Partner wechselseitig auf die Probe stellen wollen - und natürlich alle in die Untreue-Falle tappen. Den Muffl in "Frühere Verhältnisse" hat sich wiederum Robert Meyer nicht entgehen lassen.

Die kurzweiligen Possen verteilt Meyer geschickt über die Epochen: Der Zettelträger Papp erscheint originalgetreu im Biedermeierkostüm, der "gebildete Hausknecht" wurde in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts verlegt, die "Früheren Verhältnisse" beweisen, dass sie auch in einer slicken Designer-Umgebung dramatisch wirkungsvoll "oft später aufkommen thu'n". (Die wunderbaren Kostüme entwarfen Elke Gattinger und Bühnenbildner Christoff Wiesinger.) Für das letzte Stück hat Meyer einen poetisch offenen Schluss gefunden, der die allgemeine Versöhnung, wie sie Nestroy im letzten Bild vorsieht, relativiert: Scheitermann klopft wie Fred Feuerstein an die Tür seiner Frau, Muffl macht sich mit dem Scheck, den Josephine für ihn und seine Peppi ausgestellt hat, aus dem Staub.

Was die drei Geschichten an diesem Abend verbindet, ist der wohlbekannte Meyer-Stil, der nicht der Schlechteste ist, aber die Kollegen manchmal in eine etwas schablonenhafte Darstellungsweise drängt. Das meyersche Zucken in den Gliedern hart am Outrieren bekommt vor allem Petra Morzé in den "Früheren Verhältnissen" schlecht, ihre Josephine ist nah an der Karikatur. Regina Fritsch jongliert als Köchin Peppi virtuos mit den Soziolekten und überspringt die gesellschaftlichen Sprachbarrieren aus allen Richtungen. Paul Wolff-Plottegg darf in "Zettelträger Papp" und "Ein gebildeter Hausknecht" als pfauisch gestelzte Figur über die Bühne stolzieren. Robert Meyer ist in allen Rollen Robert Meyer, der seinen bewährten Nestroy-Ton mit satirischer Schärfe würzt. Das ist besonders in den "Verhältnissen" äußerst wirkungsvoll, wo Nestroy seine Sprach-, Sozial- und Moral-Kritik zur Perfektion gebracht hat: Nestroy als "erster deutsche Satiriker, in dem sich die Sprache Gedanken macht über die Dinge" (Karl Kraus). Allein Branko Samarovski sticht aus der notorisch-motorischen Unruhe wohltuend durch überlegte darstellerische Ruhe und Sparsamkeit heraus. Und erntete dafür vom Publikum großen Jubel.


 
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Friday, 26. March 2004

film

Konzerthaus: Louis Sclavis vertont "Dans la nuit" von Charles Vanel


Soziologischer Blick auf ein Beziehungs-Drama

Einen in vielfacher Hinsicht außergewöhnlichen Stummfilm zeigte das Wiener Konzerthaus. "Dans la nuit" von Charles Vanel entstand 1929. Ein Stummfilm, der am Beginn des unaufhaltsamen Aufstiegs des Tonfilms entstanden ist und daher schnell in Vergessenheit geriet. Vanel war eigentlich Schauspieler, "Dans la nuit" sein Erstlingsfilm. Ein zu dieser Zeit ungewöhnlicher Wechsel hinter die Kamera. Der bedeutende französische Jazz-Musiker Louis Sclavis sorgte im Konzerthaus für eine spannende musikalische Begleitung.

Mit schroffer Bildsprache und soziologischem Blick führt Vanel den Zuseher in die harte Welt ukrainischer Bergarbeiter ein. "On location" gedreht, überzeugt der Film durch zunächst fast dokumentarische Bilder und im zweiten Teil durch ein packendes Beziehungsdrama. Ein Steinbrucharbeiter wird durch eine Dynamitexplosion entstellt. Eine Maske verdeckt die zerstörten Teile seines Gesichts. Seine Frau berügt ihn, während er auf Nachtschicht ist. Eines Nachts überrascht der Ehemann seine Frau mit ihrem Liebhaber, der sich die zweite Maske des Entstellten übergestreift hat. Einer der Maskierten stirbt. Aber welcher der beiden wird als lebloser Körper im Bergsee entsorgt? Zuseher und Ehefrau täuschen sich in der Identität des Mannes. Dass sich alles schließlich als Traum der Frau entpuppt, ist eine Volte, die dem davor Geschehenen kaum seine Schärfe nimmt. Ein kompromissloses filmisches Meisterwerk, seiner Zeit in Kameraführung und Montage voraus.

Louis Sclavis hat seine Filmmusik für "Dans la nuit" bereits für ECM eingespielt. Der Klarinettist und Komponist hat die Episodenstruktur der Filmvorlage in seine Musik übernommen (ähnlich wie das "Cinematic Orchestra" bei Dziga Vertovs "Man with a movie camera" verfahren ist). Sclavis und seine Mitmusiker an Violine, Cello, Schlagzeug und Akkordeon vollziehen keine schnellen Wechsel, sondern breiten thematisch verwandte Klangfelder aus, die den Stimmungsbogen des Films nachzeichnen. Das funktioniert sehr gut: Sclavis' Ausgangsmaterial ist bei französischer Volksmusik geborgt, mit der Spannung steigert er die Abstraktion der Tonsprache mit großer Wirkung.


 
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Sunday, 21. March 2004

oper

Staatsoper: Strauss' "Elektra" unter Donald Runnicles


Elektra in den Seilen

Es wird viel gebaumelt in der Elektra-Inszenierung, die Harry Kupfer vor 15 Jahren für die Wiener Staatsoper entworfen hat. Elektra hängt buchstäblich an ihrem Vater, wenn sie in die Stricke greift, die vom verfallenden Denkmal Agamemnons baumeln. Das Schicksal, das die Götter für ihre Familie gestrickt haben, durfte man am Ring mit Sängern erleben, die zuvor bereits Erfahrung mit Hans Schavernochs verschnürtem Bühnenbild gesammelt hatten. Ein Abend ohne sängerische Makel.

Donald Runnicles, der derzeit die Premiere von ?Parsifal? für die Staatsoper vorbereitet, ließ das konzentrierte Orchester munter knallen. Die Inszenierung funktioniert, auch wenn Elektras fortwährendes Taueklettern bald zoologische Konnotationen evoziert.

Die Amerikanerin Deborah Polaski legt ihre Paraderolle nicht als wildgewordene Hysterikerin an (auch wenn einzelne Spitzentöne etwas schrill gerieten). Einer Kriegerin gleich scheint sie vom Unausweichlichen überzeugt: dem Muttermord. Den vollbringt schließlich nicht ihre Schwester Chrysothemis (als wunderbar lyrischer Gegenpart: Ricarda Merbeth), sondern Orest. In dieser Rolle debütierte Falk Struckmann 1991 an der Staatsoper, und er kann's noch immer: Mit großer Stimmkultur orgelte er voll und voluminös wohlgeformte Töne in den Zuschauerraum. Hanna Schwarz sang die Klytämnestra besonders wortdeutlich und stimmlich souverän. Großer Applaus für Polaski, die die Fallstricke dieser schwierigen Partitur sicher umtänzelte, verdienter Jubel für Runnicles und das Staatsopern-Orchester.


 
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